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Das Berghain. Die Ästhetisierung des Industriellen in der Technokultur

Abb. 1: Anstehen vor dem Berghain (diese und alle weiteren Abbildungen: Felix Fischer)

Abb. 1: Anstehen vor dem Berghain (diese und alle weiteren Abbildungen: Felix Fischer)

Abb. 2: Das Berghain-Areal von der Seite

Abb. 2: Das Berghain-Areal von der Seite

Abb. 3: Einlass

Abb. 3: Einlass

Abb. 4: Berghain von hinten

Abb. 4: Berghain von hinten

Der industrielle Charakter des Berghain-Gebäudes und seine Ästhetik finden sich im momentanen Stil/Style der populär gewordenen Technoszene wieder. Das Berghain ist Symbol einer Ästhetisierung des Industriellen durch den Kunstbetrieb, die sich in der populären Technoszene widerspiegelt. Industrielle Ästhetik wird interpretiert und in verschiedenen kulturellen Praktiken ausgedrückt. Ein Gesamtbild industrieller Rave-Ästhetik entsteht. In Fashion, Sounds und Szenensprache wird diese Ästhetik verkörpert. Der heutige Nachtclub ist das ehemalige Heizkraftwerk Rüdersdorfer Straße, das 1953 in Ostberlin in Betrieb genommen wurde. Die heutige Adresse des Berghain 'Am Wriezener Bahnhof' erinnert an die Umgebung des Areals, auf dem vor allem auch der genannte Bahnhof dominant war. Aus dem Wriezener Bahnhof entsteht auch der heutige Ostbahnhof. Architektonisch reiht sich das Heizkraftwerk in das eindrückliche 'Gebäudeensemble Karl-Marx-Allee' ein. Ganz typisch für die DDR der 1950er Jahre wird der Stil als 'neoklassizistischer Zuckerbäckerstil' oder einfach 'sozialistisch' beschrieben.

Mittlerweile steht das Gebäude unter Denkmalschutz und wird seit 2004 als Nachtclub genutzt. Die Einzigartigkeit des Berghains macht unter anderem die Art der Veranstaltungen aus. Bereits im Vorgängerclub, dem 'Ostgut', werden schwule Fetisch- und Sexpartys gefeiert: Die sogenannten 'Snax-Partys'. Bereits das 'Ostgut' sowie das Berghain heute waren und sind vor allem Orte für homosexuelle Männer. Aus dem Konzept des 'Ostgut' ging das Berghain hervor, als 2004 die Location des 'Ostgut' am Ostbahnhof abgerissen wird. In der Anfangszeit des neuen Nachtclubs in direkter Nachbarschaft des Ostbahnhofs wird das Heizkraftwerk zunächst gemietet, bis es dann 2011 von Vattenfall/Bewag erworben werden kann. Seit 2009 wird der Club von der Berghain Ostgut GmbH betrieben, die auch das Musik Label Ostgut Ton innehat. In heutiger Form bietet das Gebäude Platz für 1500 Feiernde und bietet von Freitag bis Montag einen besonderen Raum für besondere Partys, außerdem werden Teile des Gebäudes auch als Kunstraum genutzt (Ausstellungen, Konzerte, etc.).  

Um das Berghain entsteht ein riesiger Kult und Mythos, heute ist es ein Teil der Popkultur. Medien berichten darüber, in Podcasts wird auf den Nachtclub referiert und auf Social-Media Plattformen gibt es Filter, die eine Berghain–Einlasssituation simulieren. Zudem ist der Nachtclub beliebtes Ziel des internationalen Party–Tourismus. 

In Bezug auf Industriekultur und die symbolische Ästhetik des Gebäudes und seiner Besucher*innen steht die Geschichte des Berghain für eine typische Form der Umwandlung von Gebäuden in der Nachwendezeit. In den 90ern entstehen viele Clubs und Kunstbetriebe durch diese Umwandlung und Rückeroberungen des Alten, im Sinne des Aufbruchs und Neuanfangs dieser Zeit. In dieser Zeit entsteht auch der 'Tresor' aus einem alten Warenhaus. Ein weiterer, ikonischer Nachtclub Berlins. 

Heute findet sich in der Ästhetik des Clubs und der populären Technoszene viel Industrielles wieder, dieses erinnert an Erscheinungen, die so vielleicht auch im Heizkraftwerk der 1950er vorzufinden waren. Die Maschinerie der Heizindustrie, der Versorgung der Arbeiter*innen mit Wärme, um die Maschinerie der Arbeit in der Industrie infrastrukturell zu ermöglichen, ist heute eine Maschinerie des Feierns, des ungehemmten Hedonismus, die sich in einem industriellen Stil darstellt und selbst eine Kulturindustrie ist.  

 

Felix Fischer

Quellenverzeichnis:

Berliner Zentrum Industriekultur (o.D): Berghain. https://industriekultur.berlin/ort/berghain/ (Letzter Zugriff: 07.09.2023).

Landesdenkmalamt Berlin (o.D.): Heizkraftwerk Rüdersdorfer Straße 70. https://denkmaldatenbank.berlin.de/daobj.php?obj_dok_nr=09085197 (Letzter Zugriff: 07.09.2023).

o.A. (2016, 07. Juni): Berghain in Berlin-Friedrichshain. Geschichte und Bedeutung eines einzigartigen Clubs, in: Berliner Zeitung. https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berghain-in-berlin-friedrichshaingeschichte-und-bedeutung-eines-einzigartigen-clubs-li.24936https://www.berghain.berlin/de/ (Letzter Zugriff: 07.09.2023).