(Post)sowjetische Polarfiktionen
(5260148)
Dozent/in | Prof. Dr. Susanne Frank |
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Institution | HU Berlin |
Webadresse | |
Raum | Dorotheenstraße 65 Raum 542 |
Zeit | Donnerstag 12 - 14 Uhr |
Neben dem Kosmos war die Arktis – insbesondere seit den 1930er Jahren - einer der ideologiegeladensten Schauplätze der sowjetischen Literatur. Nirgendwo sonst konnte die machtvolle Realisierung des sowjetischen Projekts der Raum- und Naturbeherrschung durch den Menschen besser veranschaulicht werden. Vom Abenteuerroman und der Science fiction bis zum heroischen Poem und von der Reportage im Stil der „literatura fakta“ bis hin zum historischen Roman reicht die Palette der Gattungen, die zur symbolischen ‚Eroberung’ und Integration genutzt wurden. Ebenso Dokumentar- und Spielfilm. Zugleich (und als Bestandteil des Projekts der Erschließung und Nutzung) wurde die Arktis seit den 1930er Jahren zum wichtigsten Standort des sowjetischen Arbeitslagersystem (GULAG), in welchem 100 000e den Tod fanden. Texte, die die Arktis als Raum des gewaltsamen Ausschlusses, der Entmenschlichung und des Todes thematisieren, entstanden ebenfalls seit den 1930er Jahren. Publiziert werden konnten sie allerdings erst viel später. Und auch heute, im Kontext des Klimawandels, neuer geopolitischer Ambitionen, aber auch der Bemühungen, mit dem schweren Erbe des 20. Jahrhunderts umzugehen, ist die Arktis ein wichtiger Gegenstand symbolischer Verhandlung in der Literatur und im Film.
Anhand paradigmatischer Beispiele aus der russischen Literatur - die allerdings auch im Kontext anderer europäischer und globaler Polarfiktionen gesehen werden sollen - wird es im Seminar darum gehen, verschiedene Perspektiven auf die Arktis zu analysieren, den Spannungen zwischen gegensätzlichen symbolischen Konzeptualisierungen und den historischen Etappen ihrer Umkodierung nachzuspüren.
Zur vorbereitenden Lektüre seien der sowjetische Roman „Zwei Kapitäne“ („Dva kapitana“) von Venjamin Kaverin und der zeitgenössische Roman von Sergej Lebedev „Der Himmel auf ihren Schultern“ („Predel zabvenija“) empfohlen.