Springe direkt zu Inhalt

Theorien und Praktiken des Raums

Die räumliche Modellierung und Symbolisierung der Welt, räumliche Macht- und Repräsentationsstrukturen und widerständige Praktiken, „mentale Kartographien“ einer territorialisierten Welt und deren Konsequenzen für politische und kulturelle Zugehörigkeiten, Bewegungen bzw. buchstäbliche „Erfahrungen“ im Raum (Reisen, Migrationen) – dies alles sind hoch relevante Aspekte neuerer Kulturwissenschaft. Der sprichwörtlich gewordene „spatial turn“ ist nur die überfällige Explikation und Exponierung genuin raumbezogener Kulturtheorie und Kulturpraxis. Im Kontext von semiotisch und diskursgeschichtlich geprägter Kulturtheorie und zusätzlich beeinflusst von den Postcolonial Studies etablierte sich in Geschichts- und Kulturwissenschaften ein kritischer Begriff des Raums als einer politisch, sozial und symbolisch determinierten und veränderbaren Ordnung. Wie Erzählungen, von den antiken Mythen bis zum zeitgenössischen Roman und Film, solche Raumordnungen symbolisch repräsentieren und zugleich rekonfigurieren, und wie sehr ihre Handlungs- und Perspektivstrukturen selbst räumlich definiert sind, ist Gegenstand literaturwissenschaftlicher Forschungen. Nicht zuletzt für die Osteuropastudien als interdisziplinären Fächerverbund aus dem Feld der Area Studies ist die Reflexion der o.g. Raumaspekte von großer historischer und aktueller Bedeutung. Schon der Gegenstand „Osteuropa“ selbst ist hinsichtlich seiner historischen Genese als diskursives Konstrukt zu reflektieren. Dass mit der Auflösung des alten Blockdenkens seit den 1990er Jahren die räumliche Verfasstheit des neuen Europa keineswegs schwächer wurde, sondern eher noch an Brisanz gewann, zeigen u. a. die postsowjetischen Konflikte um eine geopolitische und geokulturelle Neuordnung des östlichen Europa, neue Großraumideologien (Eurasien) und neue Nationalismen und Regionalismen. Und nicht zuletzt die im Zuge solcher Raumauflösung und Raumneuordnung sowie als Folge der Globalisierung zunehmenden Migrationsbewegungen sind zentrale Themen für eine neue Osteuropaforschung. Für Kulturwissenschaftler mit besonderem Interesse für künstlerische Praktiken, wie es für die Abteilung Kultur am Osteuropainstitut gilt, stellen sich die genannten Fragen zudem in der zusätzlichen Perspektive ihrer Brechung durch Literatur, Kunst, Film und andere Medien. Man denke etwa an die „Geopoetik“ als eigensinnige literarische Raumerfahrung und Raumerzählung neben und gegen die Geopolitik. Im Seminar sollen raumtheoretische Grundlagentexte zu den genannten Aspekten und deren spezifische Relevanz für Osteuropastudien diskutiert werden.

(31701)

TypSeminar
Dozent/inProf. Dr. Georg Witte
Webadresse
SpracheDeutsch
SemesterWiSe 2017/2018
VeranstaltungsumfangSWS: 2
RaumGarystr. 55 55/121
Beginn26.10.2017
Zeit

Do, 16:00-18:00 Uhr

Hinweis

Bitte beachten Sie, das Seminar beginnt am Donnerstag, den 26.10.2017.