Die Beschreibung der Brežnev-Zeit anhand binärer Oppositionen wie Privat/Politisch und Offiziell/Nicht-Offiziell, aber auch die retrospektive Beschreibung dieses Zeitraums als Stagnation (zastoi) prägt bis heute die Wahrnehmung der Jahre zwischen dem Prager Frühling und dem Beginn der Perestrojka. Das interdisziplinäre angelegte Seminar versucht, jene Paradigmen und Genealogien kritisch zu reflektieren und die Aktualität und Wirkmächtigkeit literarischer und kultureller Diskurse dieser Zeit aufzuzeigen. Anhand einer Auseinandersetzung mit den wichtigsten literarischen und künstlerischen Strömungen der Zeit (Dorfprosa, Byt-Prosa, multinationale Sowjetliteratur u.a.) soll die kritische Epistemologie dieser Werke und deren subversives Potential herausgearbeitet werden. Die Beschäftigung mit ausgewählten populärkulturellen Aspekten (u.a. Liebesfilme, Konsumkultur) jener Jahre schließt das Seminar ab, das sowohl eine Einführung in die Wahrnehmungs- und Beschreibungsmuster jener Zeit geben möchte, als auch zur kritischen Wiederentdeckung teilweise aus dem Blick geratener Schriftsteller einladen möchte.