In einer berühmten Formulierung hat Stalin einst die Schriftsteller als Ingenieure der Seele bezeichnet. Die Wahl dieser Metapher war dabei kein Zufall, verstand die Sowjetunion sich doch als treibende Kraft der Modernisierung, die das Land mit Infrastruktur-Großprojekten zu einem industriellen Vorzeigestaat machen wollte. Viele Künstler begleiteten diese Projekte und schufen dabei eine beachtliche Zahl literarischer, filmischer und musikalischer Zeugnisse. Das Schreiben über Bauen und Planen war ein fester Bestandteil sowjetischer Kultur und wurde in verschiedenen Formen wirkmächtig. Das Seminar nähert sich dem Verhältnis von Großprojekten und Kultur aus einer interdisziplinären Perspektive. Im Fokus stehen dabei verschiedene Phasen sozialistischer Großprojekte, die jeweils anhand ihrer bedeutendsten Projekte und deren künstlerischer Verarbeitung untersucht werden sollen: die 20er-Jahre, die Zeit des Hochstalinismus, die Tauwetter-Zeit und die spätsowjetische Zeit. Die künstlerischen Arbeiten (u.a. Literatur, Film, Musik) sollen in Bezug auf die in diesen Großprojekten implizierten Gesellschaftsentwürfe gelesen werden und diskursiv verortet werden (u.a. Postkolonialismus, Gender-Fragen, Lagerliteratur).