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Schreiben über die (soziale) Klasse in den mittel- und osteuropäischen Literaturen der Gegenwart

Bitte halten Sich sich den Montagstermin von 12.00 bis 14.00 Uhr während des gesamten Semesters als Seminartermin frei, da an diesem Onlinesitzungen (via WebEx) stattfinden werden. Im Blackboard-Kurs finden Sie alle Sekundärtexte, die als Pflichtlektüre für die jeweiligen Sitzungen dienen, und außerdem weiterführende Texte, die freiwillig vorbereitet werden können. Einige Texte der Primärliteratur müssen von Ihnen käuflich erworben werden.

(31701)

TypSeminar (online)
Dozent/inIrine Beridze, M.A.
Beginn12.04.2021 | 12:00
Zeit

Mo 12:00-14:00 Uhr

Literaturliste

Primärliteratur: Galina Rymbu: Peredvižnoe prostranstvo perevorota. Knižnoe obozrenie. ARGO-RISK, 2014. Galina Rymbu: Vremja zemli. Char’kov: kntxt, 2018. Galina Rymbu: Žizn’ v prostranstve. Novoe literaturnoe obozrenie, 2018. Galina Rymbu: White Bread. translated by Jonathan Brooks Platt. New York: After Hours, 2016. Galina Rymbu: Life in Space. translated by Joan Brooks, et al. New York: Ugly Duckling Presse, 2020. Joanna Bator: Sandberg. Suhrkamp Verlag, 2012. Kirill Medvedev: Pochod na meriju. Svobodnoe Marksistkoe izdatel’stvo, 2014. Kirill Medvedev: It’s No Good. translated by Keith Gessen, Mark Krotov, Cory Merrill, Bela Shayevich. n+1/New York: Ugly Duckling Press, 2016. Margarete Stokowski: Untenrum frei, Rowohlt Verlag, 2016. Pavel Arseniev: Reported Speech. New York: Cicada Press, 2018. Pavel Arseniev: Spasm of Accommodation. Berkeley: Commune Press, 2017. Pavel’ Arsen’ev: Bescvetnye zelenye idei jarostno spjat. Svobodnoe Marksistkoe izdatel’stvo, 2011. Serhij Zhadan: Depeche Mode. Suhrkamp Verlag, 2007. Serhij Zhadan: Hymne der demokratischen Jugend. Suhrkamp Verlag, 2011. Tamta Melashvili: Marines Engel. Erzählungen. Wieser Verlag, 2017. Weitere Autor*innen und Texte (Auswahl): Anke Stelling: Bodentiefe Fenster. Verbrecher Verlag, 2015. Annie Ernaux: Die Jahre. Suhrkamp Verlag, 2017. Annie Ernaux: Erinnerung eines Mädchens. Suhrkamp Verlag, 2018. Deniz Ohde: Streulicht. Suhrkamp Verlag, 2020. Didier Eribon: Rückkehr nach Reims. Suhrkamp Verlag, 2009. Dietmar Dath: Die Abschaffung der Arten. Suhrkamp Verlag, 2008. Dietmar Dath: Feldeváye. Suhrkamp Verlag, 2014. Édouard Louis: Das Ende von Eddy. S. Fischer Verlag, 2014. Édouard Louis: Im Herzen der Gewalt. S. Fischer Verlag, 2016. Jonas Eika: Nach der Sonne. Erzählungen. Hanser Verlag, 2020. Manja Präkels: Als ich mit Hitler Schnapskirschen as. Verbrecher Verlag, 2017. Margarete Stokowski: Die letzten Tage des Patriarchats. Rowohlt Verlag, 2018. Ocean Voung: Auf Erden sind wir kurz grandios. Hanser Verlag, 2019. Roman Osminkin: Not A Word About Politics. New York: Cicada Press, 2016. Sekundärliteratur (Auswahl): Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede - Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Suhrkamp Verlag, 1987. Bourdieu, Pierre: Sozialer Sinn - Kritik der theoretischen Vernunft. Suhrkamp Verlag, 1993. Bourdieu, Pierre: Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik & Kultur 1. VSA, 1992. Brecht, Bertolt: Schriften zur Literatur und Kunst. Suhrkamp Verlag, 1967. Eribon, Didier: Gesellschaft als Urteil - Klassen, Identitäten, Wege. Suhrkamp Verlag, 2017. Ette, Wofram, Falk Strehlow (Hrsg.): Klassengesellschaft reloaded und das Ende der menschlichen Gattung. Fragen an Heiner Müller. Theater der Zeit, 2021. Lubkoll, Christine, Manuel Illi, Anna Hampel (Hrsg.): Politische Literatur. Begriffe, Debatten, Aktualität. J. B. Metzler Verlag, 2018. Luhmann, Niklas: Ideenevolution - Beiträge zur Wissenssoziologie. Suhrkamp Verlag, 2008. Luhmann, Niklas: Zum Begriff der sozialen Klasse. In: Nioklas Luhmann (Hrsg.): Soziale Differenzierung. Zur Geschichte einer Idee. Springer, 1985, S. 119–162. Lukács, Georg: Schriften zur Literatursoziologie. Luchterhand, 1968. Lukács, Georg: Geschichte und Klassenbewußtsein, 2013. Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Band 3: Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion. Dietz, Berlin 1987. Marx, Karl: Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-50. In: Derselbe (Hrsg.): Neue Rheinische Zeitung. Ausgabe 1, Köln 1848. Medvedev, Kirill: Antifašizm dlja vsech. Svobodnoe Marksistkoe izdatel’stvo. Serija Novye krasnye, 2017. Moebius, Stephan und Andreas Reckwitz (Hrsg.): Poststrukturalistische Sozialwissenschaften. Suhrkamp Verlag, 2008. Neuhaus, Stefan, Immanuel Nover (Hrsg.): Das Politische in der Literatur der Gegenwart. De Gruyter, 2019. Plass, Hanno (Hrsg.): Klasse, Geschichte, Bewusstsein. Was bleibt von Georg Lukács Theorie? Verbrecher Verlag, 2015. Sartre, Jean-Paul, Philippe Gavi, Pierre Victor: Der Intellektuelle als Revolutionär. Streitgespräche. Rowohlt, 1976. Solty, Ingar, Enno Stahl (Hrsg.): Richtige Literatur im Falschen. Verbrecher Verlag, 2016.


Die Gegenwartsliteratur erlebt aktuell international eine Rückkehr zu den linken Narrativen. Sowohl im US-amerikanischen Kontext mit Autor*innen wie Ocean Voung („On On Earth We're Briefly Gorgeous“, 2019) als auch im europäischen Raum mit Schriftsteller*innen wie Édouard Louis (dt. Titel „Das Ende von Eddy“, 2014), Jonas Eika (dt. Titel „Nach der Sonne. Erzählungen“, 2020) oder Deniz Ohde („Streulicht“, 2020) gewinnen die literarischen Darstellungen des Arbeitermilieus, die sich aus dem „sozialen Abseits“ mit den bestehenden prekären Verhältnissen beschäftigen, immer mehr an Aktualität. Das Klassenbewusstsein, das in kapitalistischen Systemen auf dem ersten Blick aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt worden ist, kehrt beispielsweise im soziologischen Essay des französischen Wissenschaftlers Didier Eribon („Rückkehr nach Reims“, 2009) mit einer starker Wucht wieder zurück. Das Seminar hat das Ziel, im mittel- und osteuropäischen Literaturen nach den gegenwärtigen Schreibpraktiken – unter komparatistischer Berücksichtigung von westeuropäischen literarischen Beispielen von „Schreibens über die Klasse“ – zu fragen, die soziale Ungleichheit, Ausgrenzung und die unsicheren Verhältnisse von Arbeiterfamilien in den Vordergrund stellen. Die sog. „Making-of-class-Geschichten“ loten aktuell erneut das politische Potenzial der Literatur, u. a. im Sinne einer „Engagierten Literatur“ nach Jean-Paul Sartre, aus und schaffen neue Narrative/Erzählweisen und ästhetische sowie poetologische Konzepte. Die Formen des literarischen Erzählens von links sind sehr vielfältig. Im Seminar gilt es zu fragen, welche literarischen Genres gegenwärtig aktualisiert werden, um neue Perspektiven zu schaffen und dadurch den gesellschaftlichen Missständen literarisch kritisch zu begegnen. Oft sind es emanzipatorische (Migrations- und Exilprosa, Fluchtnarrative sowie queere Coming-of-Age-Geschichten) und gesellschaftskritische Autofiktionen, die am Beispiel eigener Familiengeschichte die Möglichkeiten und die Grenzen von linken Erzählungen überprüfen. Die Autor*innen wie Margarete Stokowski (u. a. „Untenrum frei“, 2016), Serhij Zhadan („Depeche Mode“, 2007), Joanna Bator (dt. Titel „Sandberg“, 2012), Tamta Melashvili (dt. Titel: „Marines Engel. Erzählungen“, 2017), die Lyriker*innen wie Galina Rymbu („Žizn’ v prostranstve“, 2018) oder Pavel’ Arsen’ev, Roman Os’minkin und Dina Gatina (Mitbegründer der Plattform „Laboratorija poeticeskogo akcionisma“/dt. Laboratorium des poetischen Aktionismus) verschieben mit ihren Texten den Fokus auf die osteuropäischen Peripherien und bebildern die „Siedlungen am Rande“ mit ihren Bewohner*innen. Die fiktionalisierten Plattenbauwelten in den postsozialistischen Groß- und Kleinstädten stellen in diesen Texten einen Mikrokosmos für eine literarische Sozialstudie dar.