Weibliches Schreiben auf der Flucht. Russischsprachige Autorinnen in Berlin der 1920er Jahre
"Ball russischer Künstler"
Bildquelle: Lourié, Vera: Briefe an Dich. Erinnerungen an das russische Berlin. Schöffling 2014.
Marina Sivak (Dissertationsprojekt)
Das Projekt beschäftigt sich mit der Dichtung der Frauen, die nach der Oktoberrevolution und dem darauffolgenden Bürgerkrieg aus dem ehemaligen Russischen Kaiserreich geflohen sind. Ihre Fluchtwege verschlugen sie nach Berlin, das Anfang der 1920er Jahre zum Zentrum der Emigration wurde. Das Forschungsinteresse besteht darin, die weiblichen Stimmen in der Polyphonie des russischen Berlins der 1920er Jahre beinahe zum ersten Mal wahrzunehmen. Diese Auseinandersetzung hat das Ziel, die Gestaltung des weiblichen Schreibens in der Grenzsituation der Flucht zu verfolgen und die Reflexion der liminalen Erfahrung der Autorinnen nachzuvollziehen. Im Rahmen des Vorhabens werden sowohl die Ansätze zur weiblichen Autorschaft aus der zeitgenössischen Publizistik, den Memorien und den anderen Werken der Berliner Autorinnen rekonstruiert, als auch das Schaffen von zwei Dichterinnen Vera Lur'je und Raisa Bloch exemplarisch analysiert. Theoretisch wird es auf die Denkfiguren der Flucht und Grenze zurückgegriffen (Deleuze) und den Begriff der Liminalität (Turner). Die Methodologie für das Projekt liegt an der Schnittstelle zwischen postkolonialer und feministischer Literaturkritik, da beide Fremdsein und Alterität als Schlüsselproblem erörtern.