Moisej Ginzburg: Der Rhythmus in der Architektur
Feb 22, 2021
Aus dem Russischen und mit einem Nachwort von Thomas Flierl und Susanne Strätling. Leipzig: Spector Books 2021, 150 S.
Bisher ist Moisej Ginzburg (1892 – 1946) in Deutschland allenfalls als Architekt des Wohnhauses des Volkskommissariats für Finanzen der RSFSR am Moskauer Gartenring (1928 –1930) bekannt, ein Hauptwerk des sowjetischen Konstruktivismus. Weithin unbekannt sind hingegen seine theoretischen Schriften, die als Manifeste einer unabgeschlossenen Moderne gelesen werden können.
Ginzburgs 1923 erschienenes Buch Der Rhythmus in der Architektur besticht nicht nur durch seine architekturhistorische Reichweite und die vielfältigen Bezüge zum ästhetischen Denken um 1900. Originell ist vor allem sein theoretischer Ansatz, das »ewig wirkende Prinzip des Rhythmus« in sich dynamisch aufzufassen, d. h. als »Evolution rhythmischer Probleme«. Architektur mit Ginzburg rhythmisch zu denken, heißt, sie als Gestaltung von Zeit und Raum aufzufassen. Daraus leitet Ginzburg auch die Aufgabe der modernen Architektur ab, nämlich »diejenigen Formelemente und Kombinationsgesetze aufzuspüren, in denen sich der rhythmische Pulsschlag der Zeit offenbart.« Ginzburgs Reflexionen über den Rhythmus in der Architektur von ihren Anfängen bis zum Barock sind nach wie vor aktuelle Prolegomena zu einer jeden Architekturtheorie der Moderne.