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Tag 9 | Vorträge und Kennenlernen der Bürger*inneninitiative Green Salvation | Mittwoch, 24.9.25

DKU Sommerschule 2025 | Tag 9

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Der erste Referent des achten Tages war Serik Beimenbetov, der sich der Frage widmete, warum die Proteste der Arbeitenden im Ölsektor Kasachstans bislang unorganisiert verlaufen und kaum Wirkungen haben. Die Untersuchungsregion Mangystau ist das Zentrum der kasachischen Ölproduktion, die vor allem von den dort ansässigen internationalen Konzernen betrieben wird. Der Sektor ist für Kasachstan wirtschaftlich zentral (19 % des BIP, 35 % der Staatseinnahmen), doch viele Verträge – etwa mit Chevron – wurden vor langer Zeit ohne parlamentarische Beteiligung geschlossen und sichern den Unternehmen weitreichende Rechte. Für die lokalen Arbeiter*innen, vor allem diejenigen, die in Subunternehmen beschäftigt sind, sind die Bedingungen oft prekär: niedrige Löhne, lange Schichten und große Gehaltsunterschiede zu den ausländischen Beschäftigten. Seit 2008 kam es als Reaktion darauf zu über 500 Protesten, mit einem blutigen Höhepunkt während der Proteste in Zhanaozen 2011. Nach einer anschließenden Ruhephase kam es seit 2019 erneut zu Streiks, die Forderungen nach gerechter Bezahlung, besseren Arbeitsbedingungen, sozialer Absicherung und unabhängigen Gewerkschaften erhoben. Die Unternehmen und insbesondere der kasachische Staat reagieren meist mit Ablehnung, Gewalt und disziplinarischen Maßnahmen, die Solidarität und Vernetzung gezielt schwächen. Unabhängige Gewerkschaften haben hohe Auflagen und werden bei Nichterfüllung kriminalisiert, während staatlich kontrollierte Gewerkschaften sich kaum der Verbesserung der materiellen Arbeitsbedingungen widmen. Angst, fehlende Organisation und autoritäre Repression führen dazu, dass die Proteste fragmentiert und für den Staat und Medien leicht zu delegitimieren sind. Darüber hinaus erschweren hohe gesetzliche Hürden und ein faktischer Zwangsbeitritt zu staatlichen Gewerkschaften (ca. 65 % der Beschäftigten) das kollektive Handeln zusätzlich. Die Auswirkungen dieses Geflechtes an Herausforderungen führen dazu, dass Arbeitskämpfe schwach organisiert und ohne strukturelle Wirkung bleiben.

Im Vortrag von Alexander Ten mit dem Titel „Wissen als Ressource, Sprache als Wissensvorrat: koloniale und postkoloniale Perspektiven“ wurde die Macht von Wissen und Sprache als ein zentrales Element gesellschaftlicher Ordnung behandelt. Wissen umfasst dabei nicht nur Theorien und Fakten, sondern auch Alltagswissen, Erfahrungen und Bräuche. Wissen und Sprache bilden Wirklichkeit nicht einfach ab, sondern gestalten sie aktiv, indem sie Bedeutungen zuweisen und einen Handlungsrahmen schaffen. Wissen ist dabei stets mit Macht verknüpft: Es entsteht sozial, ist nicht objektiv und spiegelt bestehende Machtverhältnisse wider. Im zweiten Teil des Seminars haben wir Studierende uns damit auseinandergesetzt, inwieweit Diskurse innerhalb Kasachstans gesellschaftliche Sichtweisen prägen hinsichtlich des Gebrauchs der kasachischen und/oder russischen Sprache. Im Zentrum stand die Arbeit mit Zeitungsausschnitten, die einen Querschnitt der Auseinandersetzungen um Staats- und Verkehrssprache im Land seit Ende der 1980er bilden. Bis in die 1980er Jahre dominierte im Alltag das Russische, dessen Status seit der Unabhängigkeit umstritten ist. Dabei stehen ein kompromissorientierter, ein kasachisch-orientierter und ein russisch-orientierter Diskurs im Zentrum, die unterschiedliche Vorstellungen von Sprache, Wissen und Macht repräsentieren.

Am Nachmittag haben wir die Arbeit einer Umweltorganisation Kasachstans kennengelernt – der Bürger*inneninitiative Green Salvation. Green Salvation wurde 1990 gegründet und steht seitdem aktiv für Umweltschutz in Kasachstan ein. Ihre Arbeit umfasst verschiedene Bereiche: vom Schutz der Rechte der Bürger auf eine gesunde Umwelt bis zur Mitarbeit an der Entwicklung von Umweltschutzgesetzen und der Dokumentation und Verbreitung von Umweltinformationen. Besonderes Augenmerk liegt hier auf ihrer Praxis des öffentlichen Monitorings. Die Organisation führt ein regelmäßiges Foto- und Videomonitoring in Nationalparks durch: ungefähr 50 Exkursionen pro Jahr und 5.000 Fotos. Bei der Beobachtung bleibt es nicht. Ausgehend von diesen Daten schickt die Initiative zahlreiche Anfragen an staatliche Behörden und fordert die Behebung dokumentierter und reklamierter Probleme. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen insbesondere Gebiete in Almaty und in der näheren und weiteren Umgebung. Dazu gehören das Staatliche Naturreservat Almaty, die Nationalparks Ile-Alatau und Scharyn, der Naturpark Medeu sowie die Kolsai-Seen. In diesen Gebieten sind u.a. Tiere beheimatet, die im Roten Buch Kasachstans aufgeführt sind. Dazu zählen der Steinmarder, der Turkestan-Luchs, der Schneeleopard, der Tienschan-Braunbär sowie mehr als zwanzig Vogelarten. Herausforderungen erfährt die Initiative insbesondere hinsichtlich ihrer Finanzierung. Die Abhängigkeit von ausländischen Geldern schränkt die Stabilität der Arbeit ein. Außerdem kommt es bei den Mitarbeitern oft zu beruflicher Erschöpfung, da die eigenen Anstrengungen häufig nicht die gewünschten Ergebnisse bringen, sondern bisweilen in langwierigen Gerichts- und Repressionsverfahren enden.

Am achten Tag der Sommerschule haben uns verschiedene Expert*innen einen Einblick in ihre Arbeiten gegeben. Mitgenommen haben wir, dass nicht nur direkte Handlungen wie Arbeitskämpfe gesellschaftliche Aushandlungen Kasachstans abbilden, sondern auch bisweilen abstrakte Formen annehmen können, wie Sprache und Diskurs. Auch die Arbeit von Umweltorganisationen lässt sich in dieses Spektrum einreihen. Sie basiert auf dem Enthusiasmus einer umweltbewussten und gerechten Gesellschaft, findet sich aber häufig mit diversen Herausforderungen konfrontiert. Sie zeigen aber auch wie es gelingen kann, unter schwierigen Bedingungen etwas zu bewegen.