Tag 8 | Präsentationen und Diskussion | Dienstag, 23.9.2025
Heute stand die Sommerschule ganz im Zeichen von Natur, Gesellschaft und politischen Eingriffen in ökologische Systeme. Zwei spannende Präsentationen gaben Einblicke in die Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Politik in Zentralasien, insbesondere in Kasachstan. Besonders eindrucksvoll war, wie die Vorträge historische Prozesse mit aktuellen Fragen verknüpften.
Die erste Präsentation widmete sich der dramatischen Geschichte des Aralsees. Einst einer der größten Seen der Welt, ist er heute Sinnbild für eine ökologische Katastrophe. Durch großflächige Bewässerungsprojekte und den Bau von Kanälen wurde sein Zufluss massiv reduziert, was zu einer fast vollständigen Austrocknung führte. Während der Präsentation wurden Themen wie Kolonialismus und koloniale Administration sowie Wissen als Machtinstrument, insbesondere im Hinblick auf Hydraulikingenieurwesen, behandelt. Die Karten, Grafiken und historischen Quellen machten den Vortrag besonders anschaulich und halfen, die Dimension der Veränderungen zu verstehen.
In der zweiten Präsentation ging es um die sogenannte Neulandkampagne in der Sowjetunion. Unter der Führung von Lenin und später Chruščev wurde ein ambitioniertes Projekt gestartet, um bislang unerschlossene Flächen – vor allem in Norden Kasachstans – für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Ziel war es, neue Ressourcen zu erschließen und durch die Urbarmachung sogenannter „virgin lands“ die Nahrungsmittelversorgung zu sichern. Doch das Projekt hatte weitreichende Folgen: Interessant war hier vor allem, wie soziale, kulturelle und ökologische Aspekte miteinander verknüpft wurden. An erster Stelle die Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Naturbeherrschung: Unbekannte Gebiete wurden kartiert, abgemessen und kultiviert – Teil eines großen Plans zur „Transformation der Natur“. Außerdem hatte das Projekt politische und gesellschaftliche Dimension: Die Kampagne führte zu einer ethnischen Transformation Kasachstans und band die Region stärker in die kolonial-imperiale Wirtschaft ein. Letzendlich stellte das Projekt auch ökologische Herausforderungen: Klimatische Schwankungen machten die Weizenerträge unsicher. Maßnahmen wie Aufforstung und Fruchtfolgen sollten gegensteuern, erwiesen sich aber oft als unzureichend. Die Diskussion in Anschluss der Presentation machte deutlich, wie sehr Natur und Gesellschaft in dieser Phase von ideologisch motivierten Großprojekten geprägt waren – und welche langfristigen Spuren diese bis heute hinterlassen haben.
Zarina und Radoslav