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Tag 7 | Seminar mit Dr. Maira Kussainova und Exkursion zum Kapshagay Stausee | Montag, 22.9.25

Dr. Maira Kussainova

Dr. Maira Kussainova
Bildquelle: Yernar Beibit

Verteilung Landschaftstypen Kasachstan

Verteilung Landschaftstypen Kasachstan
Bildquelle: Grafik nach Maira Kusainova

Wasserkraftwerk Kapshagay

Wasserkraftwerk Kapshagay
Bildquelle: Franziska Sänftl

Abflussbecken des Wasserkraftwerkes

Abflussbecken des Wasserkraftwerkes
Bildquelle: Theodor Langer

Gruppenbild in der Turbinenhalle

Gruppenbild in der Turbinenhalle
Bildquelle: Lukas Grebenstein

Seminarbericht: Soils on the Edge – Degradation, Monitoring and Restoration in Kazakhstan’s Drylands

Dr. Maira Kussainova, promovierte Bodenkundlerin mit fast zwei Jahrzehnten Forschungserfahrung, stellte in ihrem Vortrag die fragile Situation der Böden in den Trockengebieten Kasachstans dar. Diese Trockengebiete machen einen Großteil des Landes aus und bilden die Grundlage für Viehzucht, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit. Zugleich sind sie hochgradig gefährdet durch Überweidung, Klimawandel sowie die Folgen früherer Landnutzungspraktiken.

Kussainova betonte, dass rund 70 Prozent der weltweiten Landfläche zu den Trockengebieten zählen. In Kasachstan prägen sie insbesondere die Steppenlandschaften. Böden in diesen Regionen entstehen langsamer, sind dünner und humusärmer als in humiden Klimazonen. Aufgrund ihrer geringen Stabilität können schon geringe Eingriffe – etwa durch zu intensive Beweidung oder unsachgemäße Bewässerung – zu Degradation und Desertifikation führen. Besonders deutlich wird dies in Westkasachstan und im Aralseegebiet, wo rund 104.000 km² Böden bereits als degradiert gelten.

Der Vortrag verwies auch auf die sowjetische „Neuland-kampagne“ der 1950er- und 1960er-Jahre, bei der große Flächen Kasachstans für Ackerbau erschlossen wurden. Die kurzfristig erzielten Ertragssteigerungen führten langfristig zu schweren Bodenschäden, darunter Humusverlust und Winderosion. Auch die nach der Unabhängigkeit erfolgte Privatisierung von Landnutzungsflächen trug zur Verschärfung der Problematik bei, da traditionelle nomadische Zyklen der Weidewirtschaft unterbrochen wurden.

Die kasachischen Böden unterscheiden sich stark nach Region und Beschaffenheit: Schwarzerden im Norden und Osten sind vergleichsweise fruchtbar, während westliche Regionen durch extreme Trockenheit geprägt sind. In bergigen Gebieten treten graubraune, humusreiche Böden auf, während im Süden graue bis hellbraune Böden vorherrschen, die häufig zusätzliche Bewässerung benötigen. Auch die Belastung durch unterschiedliche Nutztierarten variiert: Schafe gelten als besonders degradationsfördernd, Pferde als etwas verträglicher, während Ziegen in ariden Regionen am resistentesten sind.

Um der Belastung der Böden zu begegnen, stellte Kussainova sowohl traditionelle als auch innovative Restaurationsstrategien vor. Dazu zählen Rotationsweiden und Agroforstwirtschaft ebenso wie der Einsatz von Biochar und Mulching. Zudem ist erwähnenswert, dass Kasachstan mit diesen Herausforderungen nicht allein dasteht. Viele Probleme ähneln jenen der Mongolei oder afrikanischer Länder. Das Land beteiligt sich daher an internationalen Initiativen wie der UNCCD oder dem FAO Global Soil Organic Carbon Monitoring. Dennoch bleibt offen, inwieweit diese Strategien vor Ort systematisch umgesetzt werden können.

Das Seminar verdeutlichte, dass Böden in den Trockengebieten Kasachstans ein hochsensibles System darstellen, dessen Stabilität durch die Wechselwirkung von Klimawandel und menschlicher Nutzung massiv gefährdet ist. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, Restaurationsmethoden in größerem Maßstab zu etablieren, Klimaanpassung politisch zu verankern und internationale Kooperationen auszubauen. Damit könnte Kasachstan langfristig eine Modellregion für nachhaltiges Landmanagement in Trockengebieten werden.

Exkursion zum Kapshagay Stausee

Die Exkursion zum Kapshagay-Stausee, rund 70 km nördlich von Almaty, führte zu einem der zentralen wasser- und energiepolitischen Großprojekte Kasachstans. Der in den 1970er-Jahren erbaute Damm staut den aus China kommenden Ili-Fluss auf, der in den Balchaschsee mündet. Mit dem Bau wurden ein großes Wasserkraftwerk sowie ein Reservoir geschaffen, das bis heute die Region mit Energie, Trinkwasser und Bewässerung versorgt und zudem touristisch genutzt wird.

Das Wasserkraftwerk zählt zu den größten des Landes. Pro Aggregat können bis zu 320 m³ Wasser pro Sekunde verarbeitet und in eine Leistung von 91 Megawatt umgewandelt werden. Der Wasserstand wird möglichst bei 479 m gehalten und darf nicht unter 475 m sinken. Derzeit arbeitet das Werk nur mit rund 40 % seiner Kapazität. Viele Bauteile stammen noch aus sowjetischer Zeit; eine Modernisierung ist erst für 2030 vorgesehen.

Der Stausee erfüllt wichtige Versorgungsfunktionen, verursacht jedoch erhebliche ökologische Probleme. Durch die Aufstauung gelangt weniger Wasser in den Balchaschsee, dessen ökologisches Gleichgewicht empfindlich ist. Hinzu kommt die zunehmende Nutzung des Ili durch China; bilaterale Abkommen existieren nicht. Auch die Fischökologie ist beeinträchtigt, da keine Durchwanderung möglich ist und lediglich elektromagnetische Felder die Turbinen schützen. Im Frühjahr wird versucht, den Pegel stabil zu halten, um Fischlaich nicht zu gefährden.  Die Exkursion verdeutlichte die strukturellen Defizite des Projekts. Wasser wird in Kasachstan insgesamt ineffizient genutzt, etwa durch undichte Kanäle oder die Verwendung von Trinkwasser in der Industrie. Gleichzeitig bestehen chronische Unterfinanzierung, Personalmangel und unzureichende staatliche Koordination. Trotz dieser Probleme betonte die Kraftwerksleitung die Bedeutung des Stausees für eine günstige und vergleichsweise saubere Energieversorgung.

Der Kapshagay-Stausee steht damit exemplarisch für die Spannungen zwischen Energieproduktion, Landwirtschaft, ökologischer Nachhaltigkeit und geopolitischen Abhängigkeiten. Für die Zukunft wird entscheidend sein, ob Modernisierung, effizientere Wassernutzung und internationale Kooperationen umgesetzt werden. Andernfalls droht ein Projekt, das einst als Symbol sowjetischer Modernisierung galt, zu einem Mahnmal ressourcenintensiver Entwicklung zu werden.

Franziska Sänftl, Theodor Langer, Yernar Beibit