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Tag 6 | Aufs Dach der Welt

Gruppenbild vor der Seilbahnstation Shymbulak

Gruppenbild vor der Seilbahnstation Shymbulak

Eisstadion Medeu ohne Eis

Eisstadion Medeu ohne Eis

"Immer am Fluss entlang"

"Immer am Fluss entlang"

Ausblick aufs "Dach der Welt"

Ausblick aufs "Dach der Welt"

"Der Weg ist das Ziel"

"Der Weg ist das Ziel"

Der Sommerschulpunkt „Tagesexkursion Gletscherlandschaft um Almaty“ klang ein bisschen nach mehrstündiger Busfahrt zu einem Aussichtspunkt, an dem man sich mit Gletscherblick etwas die Beine vertreten konnte, um dann wieder im Bus zurück die Landschaft träge an sich vorbeiziehen zu lassen. Es kam anders und viel besser.

Am Vorabend schickte Lukas eine Nachricht, man möge sich mit warmer Kleidung und festem Schuhwerk für eine Wanderung ausstatten. Die beigefügte Karte ließ erkennen, dass fast 800 Höhenmeter zu überwinden sind, aber keine Sorge: „Die Strecke ist nicht besonders schwierig“.

So brachen wir mit überreichlich Lunchpaketen versorgt am Samstagmorgen um 8:00 mit dem Bus nach Medeu auf, einer 1967-72 erbauten Sportanlage mit großem Eislaufstadion, das seinerzeit als „Wunder der Technik“ und architektonisches Meisterwerk galt, weil es, so die Architekturhistoriker_innen Bronovickaja, Malinin und Pal’min, das Stadion für 10.000 Zuschauer so „natürlich in die Umgebung einfügte, wie man es sonst nur in der Antike vermochte“. Hier trainierten nicht nur die Eislaufchampions der UdSSR, hier drehten auch die Almatyner_innen ihre Runden zum Sonntagsvergnügen.

All das interessierte uns aber nur im Hinüberschweben, denn wir bestiegen in Medeu die Seilbahn hinauf nach Shymbulak, dem, so lehrt Wikipedia, größten Skiresort Zentralasiens, für uns aber Ausgangspunkt für unseren Aufstieg aufs Dach der Welt. Zunächst noch auf asphaltierter Straße, schon bald aber auf einer Geröllpiste, die alle bis auf Lukas, der unermüdlich mal an der Spitze, mal ganz am Ende die Herde zusammenhielt, recht schnell ins Schnaufen brachte. Und das war gut so, denn so musste man alle 50 Meter stehen bleiben, um eine grandiose Landschaft zu bewundern, erst noch mit Tianshan-Fichten bewachsen, die sich schlank und hoch in den Himmel streckten (sie sind so gewachsen, erklärte Lutz Mez, damit der Schnee im Winter nicht zu schwer auf den Zweigen liegt und sie abbrechen lässt), dann immer karger, bis rechts und links des Wegesrands Schneefelder zu sehen waren. Pullover, Mützen und Jacken wurden ausgepackt – nur Radoslav marschierte ohne mit der Wimper zu zucken in kurzen Hosen durch den ziemlich frischen Wind bis auf 3.000 Meter, die schneebedeckten Gipfel des Ile Alatau immer fest im Blick. Und die Unternehmungslustigsten recherchierten schon auf ihren Endgeräten, wie lange wir wohl laufen müssten, um Kirgistan zu erreichen?

Am Ende der Wanderung lockte der 1958 erbaute Mynzhylky-Damm. Sehr gerne hätte ich ihn gesehen – Infrastruktur! Dafür sind wir doch hier! Aber etwa 600 Wegmeter und 100 Höhenmeter vor dem Ziel entschieden Jehona und ich, die wir als letzte hinterherzockelten, dass wir uns an die alte Weisheit halten: Der Weg ist das Ziel. Und dieser Weg war wunderschön!