Springe direkt zu Inhalt

Kultur

News vom 07.11.2022

  • Zeugnisse des Kriegs – Susanne Strätling

    Kriege gehören zu den Ereignissen, die nicht erst retrospektiv, sondern bereits im Moment ihres Vollzugs auf ihre Bedeutung für die Geschichte befragt werden. Zentral für diese Versuche, militärische Akte von Gewalt, Tod und Zerstörung durch historische Einordnung zu rationalisieren, ist nicht zuletzt die Dokumentation von Kriegshandlungen und die Sammlung von Kriegszeugnissen. Dabei bleibt gleichwohl zu berücksichtigen, dass Kriegszeugnisse sich dem systematisierenden und klassifizierenden Zugriff von Sammlung und Sinngebung nicht selten entziehen. Denn ihnen liegt eine Erfahrung zugrunde, die außerhalb der Reichweite des ‚distant reading‘ der Daten und Fakten bleibt. Im Seminar werden wir uns mit dieser Ambivalenz des Zeugnisablegens auseinandersetzen. Was ist ein Zeugnis? Was bedeutet es, etwas zu bezeugen? Wer oder was verfügt über die Autorität des Bezeugens? Um diese Fragen zu beantworten, werden wir uns nach einer Orientierung in den theoretischen Zeugenschaftsdebatten primär mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine beschäftigen. In dem Maße jedoch, wie dieser Krieg immer wieder in Bezug zum Zweiten Weltkrieg gesetzt wird, werden wir unseren Blick historisch weiten. Zentral für die Seminararbeit ist die eigene Recherche in Arbeitsgruppen. Im Rahmen dieser Arbeitsgruppen erstellen Sie über den Verlauf des Semesters eine kommentierte Dokumentation von Kriegszeugnissen, die auf einem seminarabschließenden Workshop im Februar vorgestellt und diskutiert werden.

  • Flucht, Trauma und Erinnerung in der georgischen Gegenwartsliteratur und im Film – Irine Beridze

    Die Geschichte des postsowjetischen Georgiens ist durch Kriege in Abchasien und Südossetien maßgeblich geprägt. Die russischen neoimperialen Ansprüche im Südkaukasus spiegeln sich bis in die Gegenwart in den fortbestehenden militärischen Konflikten der Region wider. Die kollektiven und individuellen Erfahrungen von Krieg und Vertreibung formieren die politischen, sozialen und kulturellen Prozesse des unabhängigen Georgiens. Die postsowjetische georgische Literatur- und Filmtradition greift bereits Anfang der 90er Jahre in ihrer Genrevielfalt die Kriegs-, Flucht- und Traumanarrative auf und treibt den Prozess der Aufarbeitung von historischen Ereignissen intensiv voran. Die ersten georgischen postmodernen literarischen Schreibpraktiken, die sich in dieser Zeit formieren, behandeln in unkonventionellen Erzählmustern und jenseits klassischer Opfer- und Täternarrative komplexe Kriegsparadigmen, erinnerungspolitische Fragestellungen und traumatische individuelle und kollektive Schicksale. Das Seminar hat zum Ziel, die literarische Repräsentationen von Kriegsdynamiken (Bürgerkrieg in Tbilissi, Abchasienkrieg und der so gen. Augustkrieg in 2008) und deren ästhetische Darstellungen in den fiktionalen Erinnerungsnarrativen aufzugreifen und sie im Hinblick auf nationale Identitätsbildungsprozesse zu reflektieren. Dabei spielen die Fragen nach Erzählbarkeit von Gewalterfahrungen in literarischen und filmischen Werken und nach ästhetischen Inszenierungen von Trauma- und Gewaltgeschichten eine zentraale Rolle. Mit der text- und filmanalytischen Arbeit werden die Romane und Erzählungen von Aka Morchiladze („Reise nach Karabach“, 1992), Zaza Burchuladze („Adibas“, 2009), Tamta Melaschwili („Abzählen“, 2011) und die Spiel- und Dokumentarfilme von Dito Tsintsadze („An der Grenze“, 1993; „Schindisi“, 2019), Giorgi Owaschwili („Das andere Ufer“, 2009), Zaza Uruschadze („Tangerines“, 2013) Rusudan Glurjidze („Das Haus der Anderen“, 2018) u. a. behandelt.

  • Einführung in die Kulturwissenschaften: Theorien, Systeme, Methoden – Clemens Günther

    Osteuropa ist historisch wie gegenwärtig einer der spannendsten und dynamischsten Kulturräume. Das Seminar möchte Ihnen das Rüstzeug an die Hand geben, mit dessen Hilfe Sie diesen Raum durchschreiten und lesen können. Solche Lesekünste werden Ihnen nicht nur hilfreich sein, wenn Sie den Fachschwerpunkt Kultur studieren möchten, sondern auch als interdisziplinäre Ergänzung zu anderen Schwerpunkten. Das Seminar untersucht kulturelle Weltverständnisse von Natur, Raum, Fiktion und Realität, ausgewählte Grundbegriffe der Kulturwissenschaften sowie Theorietraditionen aus Osteuropa und gesellschaftspolitische Implikationen von kulturellen Artefakten in diskursiver, postkolonialer und feministischer Hinsicht . Kulturtheoretische Paradigmen werden dabei so weit wie möglich mit Primärmaterialien aus Film, Literatur, Bildender Kunst, Musik und Architektur in Beziehung gesetzt, um ihre analytische Relevanz am Material zu plausibilisieren. Die Primärmaterialien, die sowohl kanonische als auch eher marginalisierte Vertreter umfassen, stammen aus Mittelosteuropa, Südosteuropa, dem Kaukasus, Zentralasien und dem postsowjetischen Raum. In methodischer Hinsicht sollen zentrale text- und/oder kontextorientierte Verfahren der literatur- und kulturwissenschaftlichen Analyse vorgestellt werden (voraussichtlich u.a. close reading, Narratologie, Diskursanalyse). Das Seminar ist sowohl als Einführung in kultur- und literaturwissenschaftliche Analysemethoden als auch zur Vertiefung des Wissens für bereits vorgebildete Studierende geeignet. Es bietet Ansatzpunkte, um zentrale Fragen der Kulturwissenschaft zu beantworten: Was ist die Funktion von Kunst in der Gesellschaft? Was macht Kunst und Literatur aus? Welche Bedeutung hat die Form für den Inhalt von Kunst und Kommunikation?