1992–1997: Das Graduiertenkolleg
Mit der Perestroika setzte ein Reformprozess ein, der im gesamten Ostblock erdrutschartige Veränderungen auslöste. Spätestens mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 war nicht nur die Weltordnung des Kalten Krieges außer Kraft gesetzt – auch die Wissensordnungen der Osteuropaforschung mussten sich vollkommen neu orientieren. Auf diese tabula rasa reagierte das Osteuropa-Institut mit der Beantragung eines interdisziplinären Graduiertenkollegs. Unter dem Titel »Die Umgestaltungsprozesse der gesellschaftlichen Systeme in Ost- und Südosteuropa und ihre historischen Voraussetzungen« entstand damit der erste größere deutsche Forschungsverbund zur Epoche der großen Transformationen und zugleich eines der ersten Graduiertenkollegs der DFG überhaupt. In zwei Förderphasen forschten bis 1997 24 Nachwuchswissenschaftler:innen zur Ästhetik des Protests in der osteuropäischen Kunst, zur ökonomischen Schocktherapie der postsozialistischen Marktwirtschaften, zur politischen Rhetorik der Demokratisierung, zum Streit um das historische Erbe und zu aufkeimenden neuen Nationalismen. Das Graduiertenkolleg am OEI wurde zu einem Hotspot der Begegnung von Ost und West. Kollegveranstaltungen wie die große Tagung »Der Umbruch in Osteuropa – eine Mythendämmerung« im Dezember 1992 stießen auf große öffentliche Resonanz und die aus dem Graduiertenkolleg hervorgegangenen Publikationen, etwa die Kollegreihe »Gesellschaften und Staaten im Epochenwandel«, sind noch heute wegweisend für unser Verständnis der Transformationsepoche.