Über das Projekt
"Variationen von Governance in hybriden Regimen: Unternehmen, Staat und Zivilgesellschaft im heutigen Russland"
Laufzeit: 01.04.2018 - 31.03.2021
Gefördert von: DFG (Sachbeihilfe)
Projektleiter/innen: Prof. Dr. Sabine Kropp (Otto Suhr Institut, Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Katharina Bluhm, (Osteuropainstitut, Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Claudius Wagemann (Goethe Universität Frankfurt am Main)
Obwohl sich der Forschungsstand über moderne hybride Regime fortlaufend ausdifferenziert, gibt es wenige Untersuchungen, die Erkenntnisse liefern, wie diese Regime konkrete Policy-Issues bearbeiten. Das trifft insbesondere auf Russland zu, das einen „typical case“ neuer autoritärer bzw. hybrider Regime repräsentiert. Jüngere Studien belegen, dass der russische Staat regelmäßig auf Ressourcen von Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zurückgreift, um konkrete Policy-Probleme zu lösen. Während sich ein wachsender Teil der Literatur der Rolle der russischen Zivilgesellschaft in solchen Governance-Mustern widmet, ist die der Unternehmen weniger gut erforscht. (Para-)staatliche und private Unternehmen sind jedoch von besonderem Interesse, weil sie ressourcenstärker als zivilgesellschaftliche Akteure sind und sich z.T. auf internationalen Märkten bewegen. Sie stehen daher im Mittelpunkt des geplanten Projektes.
Eine Arena, in der Interaktionen zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren stattfinden und in die teilweise auch NGOs einbezogen werden, stellen die Corporate Social Responsibility-Aktivitäten (CSR) von Großunternehmen in Russland dar. Im engeren Sinne beinhaltet CSR zwar ein freiwilliges Engagement; dies wird auch von russischen Wirtschaftsverbänden immer wieder betont. Von Beginn an wurde CSR aber auch von Seiten des Staates als Instrument genutzt, um Unternehmen in die restaurierte Machtvertikale einzubinden und sie auf staatliche Programme zu verpflichten. Dies gilt gerade für die regionale Ebene, deren Administrationen mit vielfältigen sozialpolitischen und Entwicklungsaufgaben belastet sind, ohne über ein ausreichendes Steueraufkommen zu verfügen.
Geklärt werden soll, warum sich Unternehmen, staatliche Akteure und NGOs an CSR beteiligen, welche – mehr oder weniger institutionalisierten – Varianten von Governance sich aus ihren Interaktionen ergeben und wie diese mit vertikalen Instrumenten staatlicher Steuerung verknüpft sind. CSR dient somit als Anwendungsbeispiel, um Muster von Governance in neuen autoritären bzw. hybriden Regimen zu untersuchen.
Das Projekt bewegt sich an der Schnittstelle von Politikwissenschaft und Unternehmenssoziologie. Theoretisch wird dabei die Metagovernance-Perspektive mit Ansätzen der Ressourcendependenz und des –tausches verbunden. In vergleichend angelegten qualitativen Fallstudien werden verschiedene Branchen und Regionen untersucht. Ausgangspunkt der Erhebung bilden 21 Betriebe von Großunternehmen aus der Öl- und Gasindustrie, der Metallurgie und dem Handel in drei ausgewählten Föderationssubjekten (Wolgograd, Tyumen, Kemerovo). Mit dem Fallstudiendesign ist eine Qualitative Comparative Analysis (QCA) verknüpft, die es erlaubt, unterschiedliche Konfigurationen und Invarianten präzise herausarbeiten. Das Projekt erbringt daher auch einen methodologischen Mehrwert.