Rezension 16
Rezension Nummer 16 vom 06.05.2004
Thomas Casagrande: Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen. Frankfurt am Main: Campus Verlag 2003, 368 S., ISBN 3-593-37234-7, 39,90 €
Rezensiert von: Carl Bethke (Berlin)
Schon im Titel greift die Frankfurter Dissertation catch-words auf, die ins Zentrum deutscher Befindlichkeiten gehen. Die Debatten um „Zweierlei Untergang“ (Andreas Hillgruber) bzw. die Kausalität von Holocaust und NS-Verbrechen einerseits, Vertreibung und kommunistische Verbrechen andererseits haben die Identität der „Meinungslager“ geprägt – bis hin zum Streit um das „Zentrum gegen Vertreibung“. Casagrande, selbst Sohn eines SS-Veteranen aus Südtirol, geht einen Schritt weiter: Anhand der Schwaben aus dem serbischen Banat sucht er zu erklären, wie der Weg ethnonationaler Mobilisierung der 30er Jahre, und besonders die Kriegsverbrechen 1941-1945, die Vertreibung „verständlich“ (S. 349) machen. Für die deutsche Seite ist die Untersuchung fast (1) noch ein Novum: „Volksdeutsche“ erschienen bisher vor allem als Opfer, während ihre Beteiligung an den Kriegsverbrechen kaum untersucht wurde.
Casagrandes Arbeit stammt aus den Politikwissenschaften, zur „neuen Täterforschung“ gehört sie nicht unbedingt. Zunächst beinhaltet sie ein (konstruktivistisch geprägtes) Referat zur Theorie ethnischer Konflikte und dann eine ausführliche historische Einleitung – bei der Aufstellung der Division kommt der Autor erst auf S. 187 an. Wie ein roter Faden zieht sich das Erklärungsmuster „das Eigene und das Fremde“ durch die Arbeit, welches 1992 vom Psychologen Mario Erdheim mit Blick auf frühkindliche Erfahrungen (!) eingeführt, und später bekanntlich von der VW-Stiftung popularisiert wurde. Ausgewertet wurden Bestände des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes, des Bundesarchivs, des Militärarchivs und des Militärhistorischen Archivs in Prag. Anhand des Aktenmaterials kann der apologetische Rechtfertigungscharakter der Memoiren des Volksgruppenführers Sepp Janko und des Divisionskommandeur Otto Kumm, zweier exponierter Akteure, entlarvt werden. Überhaupt ist die Auseinandersetzung mit der Historiographie der donauschwäbischen „Erlebnisgeneration“ ein Leitmotiv. In zwei Fällen (Johann Wüscht, Franz Hamm) kann Casagrande die Denunziation von Juden in der Batschka durch spätere Vertriebenenfunktionäre offenbar belegen (S. 164). Serbische Quellen und Literatur sowie Feldpostbriefe etc. wurden nicht herangezogen, nicht berücksichtigt wurde die Arbeit von Ekkehard Völkl zum Westbanat 1941-1944 (2). Die Informationen über das militärische und soziale Kriegsgeschehen auf dem Balkan stammen aus der Korrespondenz der Führungsebene der Division mit Berliner Dienststellen.
Der Banat war im Zweiten Weltkrieg ein Teil des besetzten Serbiens mit einem gewissem regionalen Sonderstatus. Da die Planer aus dem Reich an diesem Gebiet nur sekundäres Interesse hatten, lag die lokale Machtausübung in der Händen der NS-“Volksgruppe“. Zugleich war der Banat eine der ersten Regionen Europas in der der Holocaust verübt wurde. Die nur am Rande behandelte Rolle der Volksdeutschen müsste noch gesondert aufgearbeitet werden, wenn auch für die physische Exekution der Besatzungsapparat (Wehrmacht und SD) verantwortlich war. Gleichwohl gehörte, wie der Autor zeigt, die Volksgruppen-Organisation (und nicht nur Einzelpersonen) zu den Profiteuren der folgenden Arisierung (S. 176ff).
Die Aufstellung einer volksdeutschen Division der Waffen-SS 1942 verstand Himmler als Konsequenz „aus dem ehernen Gesetz des Volkstums“, im Buch kann dieses als Schnittpunkt mehrerer divergierender Interessen entziffert werden: Erstens dem nach der Niederlage vor Moskau wachsenden Ersatzbedarf der deutschen Streitkräfte, zweitens den Bedenken des Auswärtigen Amtes nicht-deutsche Staatsbürger für wehrpflichtig zu erklären (S. 191), drittens den Bestrebungen der SS ihr Gewicht im NS-Regime durch Ausbau der Truppenstärke zu erhöhen. Formal blieb der Eintritt in die Waffen-SS freiwillig. Faktisch aber wurden die Volksdeutschen unter Strafandrohung – in einem Fall auch gegen lokalen Widerstand (S. 196) – eingezogen. 1943 meinte Himmler: „Wenn eine Volksgruppe halbwegs passabel geführt wird, dann melden sich schon alle freiwillig und diejenigen, die sich nicht freiwillig melden, bekommen eben die Häuser zusammen geschlagen.“ (S. 267) Dabei sollte man sich aber, wie Casagrande schreibt, nicht zu der Annahme verleiten lassen, dass sich „Wehrpflichtige grundsätzlich weniger mit ihren Aufgaben und Zielen identifizieren“ als Freiwillige (S. 306). Innenpolitische Ziele hatte Himmler: „Die Volksdeutschen brauchen sehr stark eine weltanschauliche und politische Erziehung. Diese ist im Rahmen der Division ‚Prinz Eugen’ gewährleistet. Sie ist jedoch in keiner Weise gewährleistet, wenn die Volksdeutschen in den Sicherungs-Divisionen und ähnlichen Wehrmachtsteilen erfasst sind, die bekanntlich kein nationalsozialistisch-aktives Offizierkorps haben“. Die Aufstellung der Division erfolgte ab 1. März 1942, später wurden ihr auch Volksdeutsche aus Kroatien und Rumänien eingegliedert. Der Name Prinz Eugen wurde im Rahmen eines umfassenden Prinz-Eugen-Kultes gewählt, Himmler selbst nutze den Geburtstag Prinz Eugens zu einem Besuch (S. 233). Zur Radikalisierung trugen auf der Führungsebene positionierte SS-Leute aus dem Reich bei, darunter berüchtigte Verbrecher wie Viktor Brack. Außenstehende könnten sich „kaum vorstellen, was es heißt aus völlig serbisierten, zum großen Teil überalterten Leuten, SS-Männer zu machen“ meinte er 1943 (S. 255). Die Division wurde ab Oktober 1942 in Serbien eingesetzt, Ende 1942 erfolgte die Verlegung nach Kroatien, wo sie an der Großoffensive „Weiß“ gegen die Tito-Partisanen teilnahm. Im März 1943 wurde die Prinz Eugen mit der bosniakischen Handžar-Division zum V. SS-Armee-Korps unter Arthur Phleps zusammengefügt. Auch an der Operation „Schwarz“ wenig später in Montenegro nahm die Division teil, ansonsten oblag ihr die Sicherung der Bauxitvorkommen bei Mostar. Später war sie an der Entwaffnung der Italiener, Operationen gegen Partisanen in Dalmatien, Bosnien und der Lika sowie an der Sicherung des Rückzugs der Heeresgruppe E beteiligt.
Während der Aufstellungsphase hatte Kommandeur Phleps in einem Papier vom 21. April 1942 „taktische Grundsätze für die Führung des Kleinkrieges“ vorgegeben: „Eine fanatisierte Bevölkerung, besonders serbischer Nationalität, verträgt keine von Humanitätsduselei beeinflusste, duldende Behandlung. Sie respektiert nur die brutale Gewalt“. Anleihen bei sozialdarwinistischen Ideologemen werden sichtbar: Es gelte das „Kämpferische mit dem Jagdmäßigen zu verbinden“, appelliert wurde an das „kriegerische Ausleben“ und den „sportgemäßen Eifer“. Ferner heißt es: „Beteiligt sich die Bevölkerung am Bandenkampf, so ist sie ohne Schonung zur Gänze niederzumachen.“ (S. 225ff.) Die Untersuchung Casagrandes bestätigt, dass im Partisanenkrieg ethnische und politische Frontstellungen miteinander verschränkt waren: Außer im Fall der Juden lassen sich sowohl unter den Opfern als auch den Verbündeten der Prinz Eugen Angehörige sämtlicher Ethnien finden, bis hin zu jenen volksdeutschen Partisanen, denen Casagrande seine Arbeit widmet (S. 351). Casagrande sieht aber in den Divisionsbefehlen plausibel Aufrufe zur „Vernichtung der feindseligen Zivilbevölkerung“ (S. 258). Damit greift der Autor eine Beobachtung bzw. These von Hannes Heer wieder auf, die im politischen Rummel um die Wehrmachsaustellung untergegangen ist.(3) Die Unterschiede in den Verlustzahlen waren nämlich so hoch – z. B. bei der Operation „Schwarz“ im Mai/Juni 1943 465 gefallene Deutsche (lt. Oberkommando der Wehrmacht) gegenüber 10.000 gefallenen Partisanen – dass davon auszugehen ist, dass es sich bei den Verlusten der Partisanen „zu einem großen Teil um getötete Zivilbevölkerung handelt“ (S. 254). Die hinter der Verschleierung stehende Praxis erschließt sich quellenmäßig am besten dort, wo es zu „Pannen“ kam (S. 260). Damit bezeichnete Kommandeur Carl von Oberkamp die Ermordung von 40 muslimischen Männern, Frauen und Kindern im Dorf Kosutica am 12. Juli 1943.(4) Nur in solchen Fällen, d. h. wo kroatische und bosniakische Bevölkerung ermordet wurde, konnte es zu polizeilichen Untersuchungen oder sogar diplomatischen Schriftwechseln kommen. Diese Dokumente stellten in Nürnberg wichtige Beweisstücke dar.(5) Zum Beispiel der Fall Otok am 28. März 1944 in der Gemeinde Slunj, wo die Prinz Eugen Leute eine „Massenschlächterei“ veranstaltet hatten – ohne militärischen Anlass, wie der deutsche Gesandte Siegfried Kasche, in Zusammenhang mit Protesten der kroatischen Regierung feststellen musste (S. 277-281). Wohlgemerkt: In den meisten ähnlichen „Aktionen“ dürften die Opfer Serben (oder Roma) gewesen sein, und diese Fälle wurden auf deutscher Seite kaum aktenkundig. Vielsagend ist ein Bericht den Obergruppenführer Friedrich Krüger im März 1944 nach einer Reise zur Prinz Eugen an Heinrich Himmler verfasste: Demnach ähnelten die Einsätze seinen „Unternehmen“ im Generalgouvernment – diese aber standen im Zusammenhang mit dem Mord an den Juden und Vertreibung von Polen (S. 271). Hinsichtlich des Falles Otok gibt Casagrande leider unpräzise ein „Gerücht“ wieder, wonach das Massaker mit Plänen in Zusammenhang stand, die dortige Bevölkerung nach Slawonien umzusiedeln, und zwar in im Dezember 1943 „evakuierte“ deutsche Dörfer (S. 282). Solche Umsiedlungen hatten in Bosnien bereits 1941/42 stattgefunden. In den Begründungen überschnittenen sich die Fernziele der Nazis, die Überfälle der Partisanen auf die durch die Einziehungen zur SS wenig geschützte deutsche Zivilbevölkerung sowie, wie Casagrande zeigt, die Sorge um Zersetzung von „Geist und Wehrkraft“ der Volksdeutschen durch die „Bandenführung“. Tatsächlich hatten die Kommunisten in diesem ethnisch gemischten Teil Kroatiens 1943/44 – wie bereits 1936/37 (6) – versucht Teile der deutschen Bevölkerung „zum Eintritt in die antifaschistischen Organisationen zu bewegen“.(7) Dass ausgerechnet in dieser Gegend zugleich bei Angriffen auf deutsche Dörfer Hunderte von ad hoc mobilisierten Dorfschutzmännern bzw. Zivilisten getötet wurden (vgl. S. 205), zeigt wie die Bedingungen politisch-ethnonationaler Kriegsführung auf die deutsche Bevölkerung zurückfielen.(8) In diesem Sinn interpretiert der Autor auch „das Ende der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien“ – mit dem Hinwies, dass „gerade diejenigen Donauschwaben die individuell weniger Grund hatten die Rache der Partisanen zu fürchten, mit dem Verlassen ihrer Heimat zögerten“. Diese trafen die Konsequenzen der Verbrechen –Internierung und Zwangsarbeit – zweifellos härter als manch andere Deutsche.
An der Herleitung und den Schlussfolgerungen Casagrandes kann man zum Teil Kritik üben: Die in den AVNOJ- Beschlüssen vom 21. 10. 1944 definierten Ausnahmen z.B. „würdigt“ der Autor unkritisch (S. 299 u. 321). Denn von Internierung und Zwangsarbeit wurden Personen „deutscher Abstammung“ (sic!) nur ausgenommen, wenn sie a) aktiv die Kommunisten unterstützt hatten – was die etwa in der Batschka durchaus relevanten Resistenzen („Schwarze“ und „Weisse“) nivellierte, oder b) Angehörigen sog. „Mischehen“ waren – ein für die Feststellung politischer Schuld entlarvend dubioses Kriterium.(9) Ob Ausflüge des Autors in die 1990er Jahre (es sei ja so bezeichnend, dass Karadžić aus einer Četnik-Familie käme, S. 352), angesichts der fatalen Rolle der „Sozialistischen Partei Serbiens“ nicht eher ein Eigentor sind, sei dahin gestellt.
Casagrandes Arbeit ist ein gutes, ein wichtiges Buch, das Neuland betritt und zu weiteren Nachforschungen anregt. Wenn ein europäisches Zentrum gegen Vertreibung, wer auch immer dessen Träger sein mag, „die Vertreibungen im Europa des 20. Jahrhunderts in ihren verschiedenen Ursachen, Kontexten und Folgen“ dokumentieren will, wird es sich mit solchen, dunklen, Seiten in der Geschichte der Volksdeutschen intensiv auseinanderzusetzen haben.
Carl Bethke
E-Mail: carlbethke@hotmail.com
Redaktion: Heiko Hänsel
E-Mail: haenselh@zedat.fu-berlin.de
(1) Jansen, Christian u. Arno Weckbecker: Der „Volksdeutsche Selbstschutz“ in Polen 1939/40. München 1992.
(2) Völkl, Ekkehard: Der Westbanat 1941-1944. Die deutsche, die ungarische und andere Volksgruppen. München 1991; vgl. Manoschek, Walter: „Serbien ist judenfrei“. Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42. München 1993.
(3) Heer, Hannes: Die Logik des Vernichtungskrieges. Wehrmacht und Partisanenkampf. In: Ders u. Klaus Naumann (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944. Hamburg 1995, S. 57ff.
(4) Die „Prinz Eugen“ hatte sich anscheinend auch innerhalb der SS einen einschlägigen Ruf erworben. SS-Oberführer Werner Fromm erwiderte: „Seit ihr da seid passieren hier nur noch Pannen.“
(5) Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, Bd. 20. Nürnberg 1949, S. 409.
(6) Vgl. Bethke, Carl: Das Bild vom deutschen Widerstand in ex-Jugoslawien. In: Ueberschär, Gerd R. (Hrsg.): Der deutsche Widerstand gegen Hitler. Wahrnehmung und Wertung in Europa und den USA. Darmstadt 2002, S. 120.
(7) vgl. Kühnrich, Heinz u. Franz-Karl Hitze: Deutsche bei Titos Partisanen 1941–1945. Kriegsschicksale auf dem Balkan in Augenzeugenberichten und Dokumenten. Schkeuditz 1997.
(8) Vgl. Polisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PAAA) Inl. IIg 217, 1471/44. Casagrande verweist hier zudem auf einen interessanten Bestand, nämlich Briefe volksdeutscher Frauen aus Kroatien an ihre Männer 1943. Siehe Militärarchiv Prag 18 SS-Division Horst Wessel, Kt. 4.
(9) Odluka o prelazu u državno vlašništvo neprijatelske imovine, o državno upravi nad imovinom neprijatelskih osoba i o sekvestru nad imovinom koju su okupatorske vlasti prisilno otudile [Verordnung über die Übertragung von Feindeseigentum in Staatseigentum, über die staatliche Verwaltung des Eigentums feindlicher Personen und über die Beschlagnahmung von Eigentum, das die Okkupationsmächte gewaltsam entfremdet haben]. In: Službeni List I Nr. 2. vom 06.02.1945, 13f. Vgl. auch Wehler, Hans-Ulrich: Nationalitätenpolitik in Jugoslawien. Die deutsche Minderheit 1918-1978. Göttingen 1980.