Die Ausweisung polnischer Jüdinnen und Juden aus Berlin 1938. Erfahrungsgeschichte, Archivrecherche und Sichtbarmachung
(31606)
Typ | Seminar |
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Institution | Osteuropa-Institut |
Raum | Garystr. 55 105 |
Zeit | Freitag 10-12 Uhr |
Vom 27. bis 29. Oktober 1938 wurden etwa 17.000 Jüdinnen und Juden polnischer Staatsangehörigkeit aus dem Deutschen Reich verhaftet, zusammengetrieben und an die polnische Grenze deportiert. Zu den Betroffenen gehörte auch die Familie Herschel Grynszpans, daher wird die sogenannte Polenaktion in der Geschichtsschreibung vor allem im Kontext der Novemberpogrome gedeutet. Es handelt sich jedoch um ein eigenständiges historisches Ereignis, das bislang noch nicht hinreichend dokumentiert und erforscht wurde, obwohl es als "Auftakt zur Vernichtung" (Tomaszewski) gesehen werden kann. Aus Berlin ist eine bisher unbekannte Anzahl von Personen deportiert worden. Schätzungen reichen von 1.500 bis 6.000 Menschen. Sie wurden am 28. Oktober 1938 aus Deutschland ausgewiesen und in einer überfallartigen Aktion an die polnische Grenze in den Grenzort Zbaszyn verbracht. In Zbaszyn und anderen Grenzorten verblieben die Ausgewiesenen bis zu zehn Monate, bevor ihnen die Weiterreise nach Polen genehmigt wurde oder die Emigration gelang. Ziel der Lehrveranstaltung ist, dass die TeilnehmerInnen Biographien betroffener Familien eigenständig recherchieren. Hierzu gehören umfängliche Recherchen im Visual History Archive, im Landesarchiv, Bundesarchiv, Landesentschädigungsamt und beim International Tracing Service in Bad Arolsen. Weitere Archive und Datenbanken sind je nach der individuellen Familiengeschichte hinzuziehen, auch wird die Kontaktaufnahme mit Überlebenden oder Angehörigen angestrebt. Die Rechercheergebnisse werden in kurzen biographischen Skizzen aufbereitet und sollen in die Vorbereitung einer für Oktober 2017 gemeinsam mit verschiedenen KooperationspartnerInnen geplanten Ausstellung einfließen. Die Lehrveranstaltung ist also eingebunden in ein Ausstellungsprojekt, das die Geschichte der Deportation der polnischen Jüdinnen und Juden aus Berlin im Oktober 1938 sowohl erfahrungs- als auch ereignisgeschichtlich erschließen und aufbereiten soll. Im Rahmen der Lehrveranstaltung sind zwei Exkursionen zum International Tracing Service nach Bad Arolsen und in die ehemalige polnische Grenzstadt Zbaszyn vorgesehen.
Literatur: Jerzy Tomaszewski: Auftakt zur Vernichtung. Die Vertreibung polnischer Juden aus Deutschland im Jahre 1938. Osnabrück 2002.