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Die Malzfabrik. Ein Denkmal früherer Industriearchitektur in Tempelhof-Schöneberg (Berlin)

Schriftzug an der Außenwand der Malzfabrik

Schriftzug an der Außenwand der Malzfabrik

Überbleibsel aus der Vergangenheit: Das Schultheiss-Logo an der Außenwand der Kellerei

Überbleibsel aus der Vergangenheit: Das Schultheiss-Logo an der Außenwand der Kellerei

Verschiedene Gebäude und Lageplan der heutigen Malzfabrik

Verschiedene Gebäude und Lageplan der heutigen Malzfabrik

Der Innenhof der Malzfabrik mit Gewächshaus im Hintergrund

Der Innenhof der Malzfabrik mit Gewächshaus im Hintergrund

Die Biermarke Schultheiß ist nicht erst seit Kurzem beliebt unter Berliner:innen: Schon im Jahr 1853 übernimmt der Kaufmann Jobst Schultheiß die damals noch kleine Brauerei – und das mit Erfolg. Schon bald gehört die Marke zu den größten Industrieunternehmen Berlins. 

Durch die sehr hohe Biernachfrage kurz vor dem Ersten Weltkrieg kommt es zu Engpässen in der Malzproduktion. Denn frisch vom Feld geerntete Gerste kann nicht unverarbeitet zum Brauen verwendet werden, sie wird zunächst behandelt. Diesen Vorgang nennt man Mälzen. Heutzutage beziehen die meisten Brauereien das fertige Malz von Mälzereien. Doch die Firma Schultheiß entschließt sich, eine eigenstände Fabrik in der damals noch unabhängigen Stadt Schöneberg bauen zu lassen. Die Mälzerei soll aber nicht allein für Schultheiß produzieren, sondern auch an andere Brauereien weiterverkaufen. 1914 erbaut wird sie wird zur größten Malzfabrik Europas.

Der Bau der modernen Malzfabrik begann 1914 während des Ersten Weltkrieges und schon nach drei Jahren waren sechs der Gebäude fertig. Allerdings erfolgte erst 1921 die zeremonielle Eröffnung. Im Jahr 1926 wurde dann der Produktionsprozess in Gang gesetzt. Die Architektur der Malzfabrik zeigte den charakteristischen Stil der damaligen Epoche mit rotem Klinker, der auch in der Gestaltung der Fassade zum Ausdruck kam. Ein weiteres auffälliges Element sind bis heute die vier Metallhauben auf dem Dach, die gerne mit Ritterhelmen verglichen werden und sich mit der Windrichtung bewegen.   

Die Fabrikkomplex umfasste eine große Fläche, die nicht nur aus den eigentlichen Produktionsgebäuden (fünfgeschossiges Mälzereigebäude, Flachbau und Silo) bestand, und beinhaltete ebenfalls noch eine Kellerei, einen Pferdestall, eine Maschinenhalle, ein Lager, einen Waggonschuppen und ein Verwaltungsgebäude. Darüber hinaus war die Malzfabrik mit einem eigenen Anschluss ans Eisenbahnnetz zwischen den Haupt- und Nebengebäuden ausgestattet, um den Transport von Getreide, Malz und Kohle für die Öfen zu ermöglichen. Somit stellte das von Richard Schlüter entworfene Bauwerk die größte Malzfabrik Europas im Auftrag von Schultheiß dar.

Die architektonische Gestaltung der Bauten der Malzfabrik ist in einer Weise konzipiert, die auf die spezifischen Produktionsabläufe innerhalb der Anlage ausgerichtet ist. Das hohe Walmdach des Hauptgebäudes mit den vier Schloten verweist auf die Darranlagen in den oberen Geschossen, in denen das gekeimte Getreide mit hohen Temperaturen und guter Luftzirkulation getrocknet wurde. Die unteren Geschosse mit weitläufigen Räumen für die Vorbereitung des Getreides, für Tennen und Weichanlagen sind so angeordnet, dass die damals modernen Anlagen das Getreide in sinnvollen Kreisläufen gemäß des Herstellungsprozesses bewegen konnten. Der Silo mit seinen riesigen Kammern im Erdgeschoss steht über den Bahngleisen, um die Züge von oben beladen zu können. Die Nebengebäude für Verwaltung, Maschinen und Lagerkeller sind den gleichen gestalterischen Prinzipien untergeordnet.

Der Zweite Weltkrieg hatte erhebliche Auswirkungen auf die Schulheiß-Mälzerei. Die zuvor mechanisierten Arbeitsabläufe mussten aufgrund der Demontage sämtlicher Maschinen durch die sowjetische Besatzung wieder auf manuelle Prozesse umgestellt werden. Darüber hinaus wurde ein Teil der Mälzerei durch Bombardierung zerstört, was zu erheblichen Beeinträchtigungen des Produktionsablaufs führte. Nach Kriegsende wurden alle anderen Mälzereien von Schultheiß, die sich im Gebiet der DDR befanden, verstaatlicht.

Währenddessen erhielt die Fabrik in Schöneberg neue Maschinen und Produktionsanlagen. Mit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 kam es zur Zusammenführung aller Schultheiß-Fabrikanlagen in Berlin. Allerdings nahm der Absatz ab und die Malzfabrik in Schöneberg erwies sich als nicht mehr wirtschaftlich rentabel. Im Jahr 1996 wurde die Produktion endgültig eingestellt. Die Fabrikanlagen wurden dennoch vor dem Abriss geschützt, da im Jahr 1995 die Schultheiß-Mälzerei unter Denkmalschutz gestellt wurde. Das Ensemble der verbleibenden Gebäude ist ebenfalls in der Denkmalliste des Landes Berlin verzeichnet. Sechs der Gebäude sind darüber hinaus als Einzeldenkmale klassifiziert. Dabei dürfen mit wenig Ausnahmen keine äußerlichen Veränderungen vollzogen werden. Nach ihrer Schließung stand die Fabrik aber vorerst ohne alternative Nutzung leer. 

Ein Rundgang über das Gelände

Zwischen McDonalds und Ikea ragen vier Metallhauben hervor. Am Eingang des Gebäudekomplexes sitzt eine Dame an der Forte. Als ich ihr den Grund meines Besuches erkläre, gibt sie mir einen Flyer in die Hand und verweist mich direkt auf die an zwei Samstagen im Monat stattfindenden Führungen für Interessierte. Ich bewege mich frei auf dem Gelände und bin überrascht von der großen Grünfläche mit Teich im Innenhof. Menschen sitzen dort auf Bänken und unterhalten sich, scheinen sich zu entspannen. Ein paar von ihnen spreche ich an, um zu fragen, wie es so is,t die Malzfabrik als Arbeitsplatz zu haben. Alle von ihnen berichten mir nur Positives, eine Schreinerei gewährt mir sogar einen kurzen Einblick in ihre Räume und ihre Arbeit. Die meisten wissen allerdings nicht so viel über die Malzfabrik und ihre historische Vergangenheit. Viele wissen aber, dass hier früher Clubs ansässig waren und erzählen mir belustigt darüber, dass bald wieder eine Messe für Körperkultur an ihrem Arbeitsplatz stattfindet. 

Zunächst wurde die Malzfabrik ein Kunst- und Veranstaltungsort, 2001 zog sogar der berühmte Berliner Club „Kitkat“ für paar Jahre herüber. Dieser Aspekt hat auf den Ort nochmal mehr Aufmerksamkeit gelenkt.

2005 wurde das Gebäude schließlich von dem Investor Frank Sippel erworben. Die Idee war es, die gesamte Fläche ein Zentrum für Kultur, Produktion und Design umzugestalten. Durch den Erwerb des Nachbargeländes im Jahr 2011 wurde zudem die Gesamtfläche vergrößert. Mittlerweile sind es 50 000 Quadratmeter, die neun historische Gebäude, einen modernen Bürokomplex, eine Parkanlange, zwei Teiche und Naturgärten umfassen. Das Konzept der Umnutzung des Fabrikgeländes ist stark durch Nachhaltigkeitsprinzipien geprägt.

Dazu zählen beispielsweise die Errichtung von Retentionsteichen zur Speicherung von Niederschlagswasser, die Ansiedlung von Bienen, Dach- und Fassadenbegrünung, sowie eine Aquaponik-Farm, welche Aquakultur und Hydrokultur vereint. Die Eingriffe in die ursprüngliche Bausubstanz wurden auf ein Minimum reduziert, um die geschichtliche Bedeutung des Ortes zu bewahren. Im Jahr 2014 wurde die Malzfabrik für ihre außergewöhnlichen Bemühungen zur Erhaltung und Nutzung des historischen Geländes mit der Ferdinand-von-Quast-Medaille ausgezeichnet, der höchsten Ehrung des Landesdenkmalamtes von Berlin. Die Malzfabrik ist also ein Ort, an dem vieles parallel und nebeneinander passiert – und das funktioniert auch gut. 


Paula Böhm, Elizaveta Mukhina

 

Quellenverzeichnis: 

Berliner Zentrum Industriekultur (o.D.): Malzfabrik. Vom Malz zur Kultur. https://industriekultur.berlin/ort/malzfabrik/ (Letzter Zugriff: 01.08.2023).

Landesdenkmalamt Berlin (o.D.): Schultheiss-Mälzerei. https://denkmaldatenbank.berlin.de/daobj.php?obj_dok_nr=09066399 (Letzter Zugriff: 01.08.2023).

Waltz, Alexis (2019, 28. November): KitKatClub & Sage Berlin. Mietvertrag gekündigt, in: Groove, https://groove.de/2019/11/28/kitkatclub-sage-berlin-mietvertrag-gekuendigt/ (Letzter Zugriff: 01.08.2023).

o.A. (o.D.): Malzfabrik Berlin. Die vier Ritter von Tempelhof-Schöneberg. https://www.visitberlin.de/de/malzfabrik-berlin (Letzter Zugriff: 01.08.2023).

o.A. (o.D.): [Website der Malzfabrik]. https://malzfabrik.de/areal/ (Letzter Zugriff: 01.08.2023).