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Rezension 60

Wiesinger, Barbara N.: Partisaninnen. Widerstand in Jugoslawien 1941-1945. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2008. 173 S., Abb. (=L’Homme. Schriften. Reihe zur Feministischen Geschichtswissenschaft. 17.). Euro 29,90.-, ISBN 978-3-205-77736-6.

 

Die Rolle der Frauen in der kommunistischen Widerstandsbewegung Jugoslawiens während des Zweiten Weltkriegs ist bislang wenig (und wenn, dann unkritisch) thematisiert worden. Insofern versucht die vorliegende Arbeit eine seit langem bestehende Forschungslücke zu schließen. Hervorgegangen ist das Buch aus einer Salzburger Dissertation, die 2005 mit dem Herbert Steiner-Preis ausgezeichnet wurde. Die Untersuchung der Autorin gestaltete sich schwierig, da sie keinen Zugang zu den Dokumenten im Militärhistorischen Archiv in Belgrad, dem wichtigsten Archiv zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien, erhielt. Ihre Darstellung stützt sich auf veröffentlichte Quellen (Dokumentensammlungen zum Volksbefreiungskampf und Presseorgane der Widerstandsbewegung), auf Interviews mit ehemaligen Partisaninnen und auf Fachliteratur.

Nach den einführenden Bemerkungen (Kapitel 1, S. 11-17) und einer knappen Skizze des Krieges in Jugoslawien (Kapitel 2, S. 19-30) wendet sich die Verfasserin im dritten Kapitel dem breiten Spektrum der Beteiligung von Frauen am aktiven und passiven Widerstand zu (S. 31-46). Gemäß „Lexikon des Volksbefreiungskrieges und der Revolution in Jugoslawien“[1] hätten 100.000 Frauen in Titos Volksbefreiungsarmee gedient, von denen 25.000 gefallen und 40.000 verletzt worden seien. Weitere zwei Millionen Frauen seien in anderen Bereichen des Widerstands aktiv gewesen (S. 32). Barbara Wiesinger weist zu Recht darauf hin, dass diese Zahlen nicht belegbar sind. Mit großer Sicherheit kann man davon ausgehen, dass sie ebenso maßlos übertrieben wurden wie die Zahl der Kriegstoten. „Zu den Schwächen der jugoslawischen Historiographie zählt auch die häufige Verklärung von Widerstandsaktivistinnen. Insbesondere die später zu ‚Volkshelden’ (narodni heroji) erklärten Frauen werden stets als frohsinnige, kluge, edle und tapfere Idealistinnen, die sich zum Wohle aller für ihre Überzeugungen aufgeopfert hätten, beschrieben. Diese Verzerrungen durchziehen die gesamte Literatur der sozialistischen Ära zum ‚Volksbefreiungskrieg’“ (S. 33). Doch schon die Tatsache, dass die im Krieg gegründete „Antifaschistische Frauenbewegung Jugoslawiens“ 1953 ersatzlos aufgelöst wurde, weil Emanzipation und Gleichberechtigung realisiert worden seien (die tatsächlichen Gründe für die Auflösung konnte die Verfasserin nicht eruieren), wirft ein bezeichnendes Licht auf die ambivalente Einstellung der Parteiführung gegenüber der Frauenbewegung.

Kapitel 4 ist den Sanitäterinnen und Ärztinnen in der Volksbefreiungsarmee gewidmet (S. 47-62). Obwohl diese Frauen außerordentlichen Belastungen und Gefahren ausgesetzt waren und obwohl ihre Tätigkeit unter Rekurs auf den Kosovo-Mythos („Kosovska devojka“) verklärt wurde, sahen sich die Sanitäterinnen und Ärztinnen weit verbreiterter Geringschätzung ausgesetzt (die sie sich mitunter selbst zu Eigen machten). Die Aufnahme in den bewaffneten Widerstand, denen große Teile der KP-Führung zunächst ablehnend gegenüber gestanden hatten, wurde damit zu einem erstrebenswerten Ziel. „Die Auffassung, Bewaffnung und Gewalthandeln seien männliche Privilegien, sowie das daraus resultierende Fehlen eines Bewusstseins von weiblicher Kriegsbeteiligung in der Geschichte stellen meines Erachtens“, so Wiesinger, „die wichtigsten Ursachen dafür dar, dass der Einsatz von Frauen als Kämpferinnen in der Volksbefreiungsarmee umstritten war“ (S. 65).

In Kapitel 5 (S. 63-91) befasst sich die Autorin dann mit den ehemaligen Kriegerinnen. Sie skizziert die Hindernisse, die diese vor Aufnahme in die Kampfeinheiten überwinden mussten, die schwer überprüfbaren Motive für ihre Beteiligung am bewaffneten Widerstand und die militärische Praxis. Was Letztere betrifft, blieben die interviewten Frauen allerdings auffallend schweigsam. Über die Gewalt, an der sie selbst beteiligt waren, wollten sie nicht sprechen. Verbrechen wurden ausschließlich von den Gegnern begangen. „Meine Interviewpartnerinnen berichteten vor allem über erlittene und bezeugte Gewalt. Gewalt, die sie selbst ausgeübt hatten, thematisierten sie hingegen kaum“ (S. 122). Nicht einmal ansatzweise lässt sich in den Interviews eine selbstkritische Reflexion erkennen. „Ehemalige Kämpferinnen erzählten im Interview generell nur wenig von ihren konkreten Erfahrungen in dieser Funktion. Diesbezüglich befragt, antwortete Radojka Katić knapp: ‚Er schießt auf dich und du schießt auch. So ist das.’“ (S. 77). Oder – wie eine andere Interviewpartnerin erklärte: „Wenn jemand mich umbringt, werde ich das auch tun“ (S. 78). Rund ein halbes Jahrhundert später haben sich die Teilnehmer an den postjugoslawischen Kriegen der 1990er Jahre (diesmal ausschließlich Männer) nahezu identisch geäußert, unabhängig davon, auf welcher Seite der Front sie gekämpft haben.[2]

In Kapitel 6 (S. 93-130) wird der Kriegsalltag der Partisaninnen in sieben Unterabschnitten (Eine Alltagsgeschichte des Krieges; Anstrengungen und Entbehrungen; Bekleidung: Kleider, Haartracht, Waffen; Reproduktionsarbeit; Kameradschaft und Freundschaft; Liebe und Sexualität; sowie Gewalterfahrung) rekonstruiert. Hier werden noch einmal die Widersprüche und Ambivalenzen deutlich, die den Alltag der Kämpferinnen prägten. Das Bestreben der Partisaninnen, „ihr Geschlecht zu ‚überwinden’ und so Kameradenqualität zu entwickeln“ (Wiesinger, S.112), steht im Zentrum der Erinnerungen. Voller Nostalgie erklärt eine Interviewpartnerin die Zeit in der Partisaneneinheit zur schönsten ihres Lebens (S. 114). In nahezu allen Punkten versuchten die Gesprächspartnerinnen, den Klischees des idealisierten Widerstands gerecht zu werden. Besonderen Schwierigkeiten sahen sich diejenigen Frauen ausgesetzt, die „nur“ im zivilen Widerstand aktiv gewesen waren. In den Interviews bemühten sie sich darum, ihre Stärke, Willenskraft und Verlässlichkeit herauszustreichen. „Gegen den Generalverdacht, unter der Folter KameradInnen und/oder Geheimnisse verraten zu haben, mussten sie sich nach dem Krieg verteidigen, indem sie der Partei über ihre Haltung vor dem Feind Bericht erstatteten. (…) Auch wenn sie diese Verteidigungshaltung im Interview nicht einnehmen mussten, war es den Biographinnen – auch im Sinne einer positiven Selbstdarstellung – offensichtlich wichtig, die eigene Verlässlichkeit und Schweigsamkeit hervorzuheben.“ Daran anschließend fährt die Verfasserin fort: „Nicht zuletzt positionierten sie sich dadurch aber auch als aktiv Handelnde anstatt als passive Opfer; eine Deutung, die durch ihre biographische Erfahrung, zu den Überlebenden zu gehören, verstärkt wird“ (S. 123). Ähnlich wie die „passiven Opfer“, die das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück überlebten,[3] haben auch die Frauen aus dem zivilen Widerstand ihre „Verteidigungshaltung“ bis heute nicht überwinden können. Ziviler Widerstand gilt ihnen noch immer als Zeichen von Minderwertigkeit: „Ich bin heute noch traurig, dass ich niemals ein Gefecht – den ‚Geschmack des Kampfes’ wie man sagt – erlebt habe. Aber wir verstanden auch, dass man Kleidung nähen und Heime und Schulen für die Kinder der aktiven Kämpfer und für die Waisenkinder der Gefallenen organisieren muss. (…) Dann gab es die ‚Rote Hilfe’ … Das alles wurde von Frauen gemacht … wichtige Dinge! Unser Kopf hat das ja eingesehen – aber im Kampf zu stehen, zu schießen, das war irgendwie … mehr wert …“ (S. 38).

In einem kurzen Schlusskapitel: Widerstand und Emanzipation (S. 131-134) zieht Barbara Wiesinger Bilanz: „Gegen und nach Kriegsende wurde die Kriegsbeteiligung von Frauen als ‚bestandene Reifeprüfung’ interpretiert, die sie dazu befähigt habe, ihre Rechte und Pflichten in der neu geordneten Gesellschaft wahrzunehmen. Manchmal wurde der ‚Volksbefreiungskrieg’ gar als Krieg um Frauenrechte gedeutet…“ (S. 133), aber „diese Verknüpfung von Frauenwiderstand und Gleichberechtigung verweist meines Erachtens weniger auf die Fortschrittlichkeit der Widerstandsbewegung als auf die Legitimationsbedürftigkeit weiblicher Mitbestimmung im gegebenen Kontext“ (S. 133f.). „Julie Wheelwrights Frage, ob besonders kämpfende Frauen durch … das radikale Potential ihrer Erfahrung und die irritierenden Widersprüche, die sie verkörperte(n), tatsächlich einen historischen Wandel im Verständnis der Geschlechterdifferenz bewirkten’,[4] lässt sich für den in dieser Arbeit untersuchten Fall mit einem eindeutigen Nein beantworten“ (S. 134).
Ein Anhang (S. 135-173, u.a. mit den Kurzbiographien der 15 befragten Frauen sowie dem Quellen- und Literaturverzeichnis, S. 149-173), schließt die Arbeit ab.

Die Lektüre hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits hat die Verfasserin die noch immer sehr lückenhaften Informationen über die Beteiligung von Frauen am jugoslawischen Widerstand systematisch zusammengetragen und ausgewertet. Andererseits werden die Prämissen, unter denen die früheren Partisaninnen ihre Entscheidung trafen, weder von diesen selbst noch von der Autorin konsequent hinterfragt. Dass die Partisanenbewegung nicht nur einen Befreiungs- und Verteidigungskrieg gegen die Besatzungsmächte und ihre (tatsächlichen oder vermeintlichen) Kollaborateure führte, sondern auch - und mit allen Mitteln sowie ohne Rücksicht auf Menschenleben - um die politische Macht kämpfte, deutet die Verfasserin zwar an verschiedenen Stellen der Arbeit an, doch auf ihre Frage- und Problemstellung hatte dies keinen erkennbaren Einfluss. Dass die interviewten ehemaligen Partisaninnen, die sich ihre Partizipation am Tötungs-„Privileg“ gegen alle Widerstände erstritten hatten, jedem Zweifel an der Richtigkeit ihres Tuns aus dem Wege gehen, ist psychologisch nachvollziehbar. Allesamt sind sie Opfer des in Jugoslawien (während des Krieges und nach dem Krieg) mit Hingabe gepflegten Heldenkults und der damit verbundenen Feindbilder geworden und alle haben die Idealisierung des Kampfes, das Schwelgen in der Kameraderie und den bedingungslosen Gehorsam verinnerlicht. Die hier interviewten Frauen stellen den gemeinhin als männlich und machohaft kritisierten Heroismus nicht in Frage, sondern wollten daran teilhaben. Der Sanitätsdienst war „minderwertig“. Deshalb stritten die ehemaligen Partisaninnen für das „Recht der Frau auf Kampf“.[5] Nur wer selbst die Waffe benutzte, nur wer selbst tötete, konnte ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft sein. Frauen wie Männer sind dieser „Logik“ erlegen.[6] Aus der damaligen Situation, aus der Konfrontation mit einer noch stark patriarchal geprägten Gesellschaft und aus der Perspektive der TeilnehmerInnen heraus ist diese Betrachtungsweise verständlich. Kameradschaft und Verlässlichkeit waren überlebenswichtig. Den anderen zu töten, bevor man selber getötet werden konnte, war Kriegsalltag. Wer als „Feind, Verräter, Volksschädling usw.“ zu gelten hatte, wurde von der politischen Führung definiert. Und der „Geschmack des Kampfes“ war Ausdruck einer Extremsituation. Nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Kinder wurden unter diesen Bedingungen zu viel bewunderten (in Büchern, Filmen, Cartoons und Denkmälern verherrlichten) Soldaten. Aber muss man diese Perspektive auch noch ein halbes Jahrhundert nach dem Geschehen als Forscherin teilen? Selbstverständlich stellt die Verfasserin die patriarchale Gesellschaft in Frage. Aber die daraus abgeleiteten „Ideale“ hinterfragt sie entweder gar nicht oder nur andeutungsweise. Aus ihren Zeilen spricht die Sympathie für jene Frauen, die erst nach Überwindung vieler Hindernisse in die Reihen des bewaffneten Widerstands aufgenommen wurden oder die noch immer darüber trauern, dass ihnen diese Form der „Gleichberechtigung“ verwehrt wurde. Aber muss man die Instrumentalisierung der Menschen durch das Kriegs- und Nachkriegsregime akzeptieren? Und wenn Männer instrumentalisiert werden, haben dann auch Frauen (und Kinder) ein „Recht“ darauf, instrumentalisiert zu werden? Soll sich Emanzipation darin erschöpfen, in jeder Hinsicht wie „die“ Männer zu sein? Dass Frauen den Wunsch haben, zur Verteidigung ihrer Gemeinschaft denselben Beitrag zu leisten wie Männer und dass sie dafür dieselbe Anerkennung erwarten wie Männer, ist die eine Seite. Dass sie mit ihrem bewaffneten Kampf auch zu einer von ihnen nicht mehr kontrollierbaren Eskalation der Gewalt beitragen, dass sie im Verlauf eines Bürgerkriegs nicht nur Aggressoren, sondern auch unbeteiligte Menschen oder „Verräter“ in den eigenen Reihen töten (müssen), dass Frauen ebenso fanatisch sein können wie Männer und dass die Lust an der Gewalt kein männliches „Privileg“ ist, ist die andere Seite. Emanzipation hat eben viele Gesichter. Und nicht alle sind makellos.

 

Rezensiert von Holm Sundhaussen (Berlin)
Email: sundhaus@gmx.net

 

[1] Leksikon NOR-a i revolucije u Jugoslaviji. Beograd 1980. Bd. 2, S. 1246-1251.

[2] Vgl. Natalija Bašić: Krieg als Abenteuer. Feindbilder und Gewalt aus der Perspektive ex-jugoslawischer Soldaten 1991-1995. Gießen 2004.

[3] Vgl. dazu die Erinnerungen bei Silvija Kavčić: Überleben und Erinnern. Slowenische Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Berlin 2007.

[4] Julie Wheelwright: Amazons and Military Maids. Women who dressed as men in the pursuit of life, liberty and happiness. London 1989, S. 78.

[5] Wiesinger (S. 81) zitiert hier Desanka Stojić: Prva ženska partizanska četa. Karlovac 1987, S. 33, Anm. 10.

[6] Das Streben der Kämpfer nach Anerkennung in der Gruppe und der Eindruck, bei Beförderungen übergangen worden zu sein, konnten mitunter neurotische Züge annehmen. Aufschlussreich sind die Beobachtungen des Psychologen Hugo Klajn, der bei Kriegsende ehemalige Partisanen behandelte. Die Veröffentlichung seiner Beobachtungen wurde wiederholt behindert, da Partisanen keine Neurosen haben können/dürfen. Siehe Hugo Klajn: Ratna neuroza Jugoslovena. Beograd 1995.

 

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