Springe direkt zu Inhalt

Rezension 20

Rezension Nummer 20 vom 26.07.2004

 

Markus W.E. Peters: Geschichte der Katholischen Kirche in Albanien, 1919-1993. Wiesbaden: Harrassowitz 2003, I-VIII, 340 S., 1 Karte. ISBN 3-447-04784-4; € 78.-

 

Rezensiert von: Klaus Buchenau (Berlin)

 

Die Forschungslücken der Albanologie klaffen tief wie Albaniens Bergtäler, die Archive gleichen oft kargen Geröllfeldern, und wer gar etwas über Religion unter Enver Hoxha herausfinden will, hat sich etwas besonders Schwieriges vorgenommen. Markus W. Peters’ Buch über die Katholische Kirche zwischen 1919 und 1993 ist daher mehr als willkommen. Es füllt einige der Wissenslücken, aber um es gleich vorwegzunehmen: Die Füllmasse hätte besser gemischt werden können. Denn mit konventioneller Kirchengeschichtsschreibung kommt man in Albanien nicht sehr weit – vor allem dann nicht, wenn man sich zu sehr an die Vorgaben der Amtskirche hält.

Der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem Leiden, auf der Verfolgung der katholischen Kirche. Das ist ganz im Sinne Papst Johannes Pauls II., der 1994 alle Ortskirchen dazu aufrief, das Martyrologium des 20. Jahrhunderts auf den heutigen Stand zu bringen. „Kaum eine andere Kirche“, schreibt Peters im ersten Satz, „hatte unter den Verfolgungen unterschiedlichster Diktaturen so zu leiden wie die Katholische Kirche in Albanien, eine der ältesten Kirchen der Welt“ (S. 1). Peters beschreibt dieses Leiden – es beginnt unter den Osmanen, setzt sich in der säkularistisch dominierten Zwischenkriegszeit fort und erreicht unter Enver Hoxha, vor allem aber zwischen 1944 und 1948/49 erschreckende Ausmaße. Diese Gesamtdarstellung ist einerseits verdienstvoll, denn das meiste davon ist der westlichen Leserschaft bislang unbekannt gewesen. Das gilt nicht nur für die vielen grausamen Schicksale katholischer Priester in den ersten Jahren der kommunistischen Herrschaft, sondern auch für die Anstifterrolle Tito-Jugoslawiens. Überzeugend ist auch, wie Peters den nationalistischen Mythos demontiert, wonach die konfessionelle Frage in Albanien seit jeher kaum eine Rolle spiele. Interreligiöse Spannungen ziehen sich durch die gesamte Darstellung, katholische Vorschläge zur Föderalisierung des Landes nach konfessionellen Grenzen stammen schon aus den frühen 20er Jahren (S. 44). Alles kulminiert in dem Nachweis, dass sich die religiöse Landkarte Albaniens im Laufe des 20. Jahrhunderts entmischt hat (S. 253). Nützlich sind auch die vom Autor erstellte Karte zur „Diözesangeographie Albaniens von 1920 bis 1995“ (S. 257) sowie sein prosopographisch-biographischer Anhang zu herausragenden Vertretern des albanischen Katholizismus (S. 259-297).

Andererseits hat der albanische Katholizismus mehr Facetten, als bei Peters zum Vorschein kommen. Peters nimmt die Position eines solidarischen Katholiken ein, der dem Westen berichtet, wie sich seine Glaubensbrüder in dieser halborientalischen Umgebung durchschlagen. Er identifiziert sich mit der Selbstsicht des albanischen katholischen Klerus als Kulturträger, spricht dem albanischen Islam die Dignität ab und nimmt keinerlei Rücksicht auf dessen innere Differenziertheit (S. 32, 130, 226). Voller Sympathien beschreibt er die Missionsversuche des katholischen Klerus unter Muslimen und Orthodoxen. Für die ablehnende Reaktion der Zogu-Diktatur (S. 1928-1939) und der anderen Glaubensgemeinschaften zeigt er kein Verständnis, schließlich ist er davon überzeugt, dass die katholische Kirche „Anciennitätsrechte aus vortürkischer Zeit“ habe, der Islam nichts weiter als die Religion der „türkischen Besatzung“ sei und die Orthodoxie in Albanien vor allem griechische „nationale Eigeninteressen“ verfolgt habe (S. 1, 50, 81, 115, 299). Die katholische Kirche erscheint in dieser Optik als Kraft, die allein einen wahren, wohl verstandenen, westlich geprägten Patriotismus vertrat. Um dieses Bild aufrechtzuerhalten, spielt Peters die Kollaboration mit dem faschistischen Italien herunter, ohne sie aber ganz verschweigen zu können (S. 54f., 94).

Durch die enge konfessionelle Perspektive entgehen dem Autor viele Dinge. Die in Italien und dem Habsburger Reich ausgebildeten albanischen Priester waren eben nicht nur „westliche Intellektuelle“, die das Land unbedingt brauchte – oft genug brachten sie von ihren Auslandsstudien auch Vorstellungen über das Verhältnis von Kirche und Staat mit, die nicht zu Albanien passten. Hier waren die Katholiken in der Minderheit und an ein klerikal beeinflusstes öffentliches Leben war schon im Interesse des Konfessionsfriedens nicht zu denken. Das ist wichtig zu wissen, bevor man sich über die Versuche Ahmet Zogus empört, das katholische Schulwesen zu beschneiden.

Peters hebt immer wieder die intellektuellen Leistungen des Klerus hervor, aber über dessen Arbeit mit der ganz und gar nicht intellektuellen „Herde“ erfahren wir nichts. Natürlich gibt es hier ein Quellenproblem, was Peters auch bedauert. Aber er muss sich doch den Vorwurf gefallen lassen, dass er sich nicht ernsthaft bemüht hat, in die Welt der einfachen albanischen Katholiken vorzudringen – in jene Welt, die einen solidarischen „Glaubensbruder“ aus dem Westen zwangsläufig irritieren muss. Peters setzt stattdessen die Brille der inzwischen siegreichen Amtskirche auf. Danach war es die in den Herzen verborgene Flamme des Glaubens, die dem Katholizismus auch in Zeiten der verordneten Gottlosigkeit das Überleben ermöglicht habe (S. 228). In dieser Optik fehlt das eigene Profil des albanischen Katholizismus, jenes von Ethnologen beschriebene Amalgam aus patriarchalem Lebensstil, Gewohnheitsrecht und religiösen Elementen. In so einer Ordnung kann Religion auch dann noch funktionieren, wenn der Einfluss des Klerus gering ist – so, wie es in Nordalbanien während der osmanischen Zeit, besonders aber unter Enver Hoxha der Fall war. Diese Einsicht ist wichtig, wenn auch schmerzhaft für die offizielle Kirche. Denn es stellt sich die Frage, ob hier wirklich die eine, katholische Universalkirche gesiegt hat, oder vielmehr eine vormoderne Ordnung, die unter anderem auch Religion im Gepäck trug – und zwar eine Religion, deren Realität oft weit entfernt von römischen Vorgaben war.

So zeigt Peters’ Buch nicht zuletzt, wie isoliert eine allzu traditionelle Kirchengeschichte mittlerweile dastehen kann. Peters ignoriert wesentliche sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, etwa wenn er von der „vollen Familienzentriertheit des Albaners“ spricht (S. 32). Er fragt sich nicht, ob es „den Albaner“ überhaupt gibt oder ob die patriarchalen Großverbände Nordalbaniens als „Familien“ im modernen Sinne des Worts bezeichnet werden können.

Hier spricht Peters eine vorwissenschaftliche, dem Gegenstand nicht angemessene Sprache – um an anderer Stelle auch fachlich gebildete Leser zu verprellen, indem er die Kenntnis katholischer Ordenskürzel voraussetzt und lateinische wie italienische Zitate unübersetzt anführt. Sicher, in katholischen Kreisen mag das immer noch Usus sein, aber der Kommunikation zwischen der Kirchenhistorie und den übrigen Balkanforschern nützt es nicht. Schade – denn gerade bei Albanien, einem kleinen Land mit großen Forschungsfragen, kann man sich fachwissenschaftlichen Autismus nicht leisten.

 

Klaus Buchenau (buchenau@zedat.fu-berlin.de)

––––––––––

Redaktion: Ulf Brunnbauer (ulf@zedat.fu-berlin.de)

 

 

 

Zur Website des Friedrich-Meinicke-Instituts
Zentrum für Historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften
Zur Website des Netzwerks Area Histories
Zur Mediothek des Osteuropainstituts